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Wie sich E-Commerce und Augmented Reality gegenseitig beflügeln

Zwar ist der Einkauf im Netz beliebt, aber der lokale Einzelhandel ist weiterhin stark. Ein Grund: Kunden mögen es, Produkte in die Hand zu nehmen und von allen Seiten zu betrachten. Dieses Erlebnis lässt sich im E-Commerce mithilfe von Augmented Reality zumindest teilweise nachahmen, wie Dalia Lasaite in diesem Beitrag aufzeigt. Die meisten von uns besitzen sogar schon die nötigen Geräte dafür.

Mit ARKit lassen sich Augmented-Reality-Apps für iPhones und iPads entwickeln. (Foto: Apple)

Zahlen und Fakten: E-Commerce in Deutschland 2019

Der jährlich vom Handelsverband Deutschland (HDE) herausgegebene Online-Monitor bestätigt einerseits den Trend zum Online-Einkauf, zeigt andererseits aber, dass der traditionelle Einzelhandel so schnell nicht aussterben wird.

Konkret: In Deutschland hat der Online-Handel im Jahr 2017 fast 49 Milliarden Euro umgesetzt. Das sieht beeindruckend aus. Bei insgesamt 513 Milliarden Euro Gesamtumsatz aus allen Handelswegen sind das jedoch nicht einmal zehn Prozent. Für 2018 prognostizierte der HDE einen Anstieg des Online-Anteils auf 10,2 Prozent – ein kleiner Sprung nach vorne.

Nach einer US-amerikanischen Studie bevorzugen allein ein Drittel aller Konsumenten den lokalen Einzelhandel, da sie Produkte gern sehen und anfassen, bevor sie sie tatsächlich kaufen. Genauso viele gaben außerdem an, dass sie das Produkt einfach direkt nach dem Kauf mitnehmen wollen – ohne Wartezeiten. Online-Händler versuchen zumindest Letzteres mit immer schnelleren Lieferzeiten umzusetzen.

Der E-Commerce wächst also, ist aber weit davon entfernt, den stationären Handel abzulösen.

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Klassische Händler sollten sich als Konsequenz daraus überlegen, wie sie am Wachstum des E-Commerce teilhaben können und wie sie eine Online-Strategie auch für ihr Geschäft umsetzen. E-Commerce-Unternehmen scheinen dagegen allzu schnell zu vergessen, dass auch sie sich weiterentwickeln müssen, damit das Wachstum nicht stagniert und sie ihre Umsätze ausbauen.

Das haptische Ausprobieren scheint hier ein wichtiger Punkt zu sein, lässt sich aber im Web nicht so einfach umsetzen. Unter anderem erkennt Amazon diesen Bedarf und eröffnete dafür zum Beispiel in der Weihnachtszeit auf dem Berliner Ku’damm einen Pop-up-Store, in dem die Kunden Produkte zunächst anschauen und dann direkt über einen abscannbaren Code auf Amazon bestellen konnten. Das ist nicht schlecht, aber letztlich ein eher umständlicher Workaround, der nicht für jedes E-Commerce-Unternehmen umzusetzen ist. Zudem steht dieser Ansatz im Widerspruch zum Versprechen des Online-Handels, stressfrei von der Couch aus bestellen zu können.

Damit das digitale Geschäft weiter wachsen kann, braucht es eine Brücke zwischen dem Web und dem physischem Erlebnis im Geschäft. 

Einsatzfelder für Augmented Reality (AR)

Eine Technologie, die dabei hervorsticht und sich bereits als nützlich für die E-Commerce-Branche erwiesen hat, ist Augmented Reality (AR). Verbraucher können damit Produkte in Form eines 3D-Modells direkt in die eigene Umgebung setzen und testen, wie sie dort aussehen – beispielsweise ein Sofa im eigenen Wohnzimmer. Auch die Bekleidungs- und Kosmetikindustrie nutzt AR bereits erfolgreich, denn Augmented Reality ermöglicht Interaktion zwischen Kunde und Händler, die sonst nicht möglich wäre. Das baut Hemmschwellen und Zweifel an der Eignung des Produktes ab. Mehr zu konkreten Beispielen weiter unten.

AR ist dabei keine Zukunftstechnologie. Im Gegenteil, sie ist generell schon weit entwickelt und Millionen von Menschen haben sie bereits in ihrer Hosentasche. So gilt unter anderem Apple als Vorreiter von AR im Massenmarkt. Die neuesten iPhone-Generationen unterstützen allesamt „ARKit“: Damit können Entwickler ihre eigenen AR-Applikationen erstellen, sowie AR-Darstellungen über den nativen iPhone-Web-Browser realisieren. Beispiele dafür kennen die meisten wahrscheinlich von lustigen Spielchen, die vor einem auf dem Tisch stattfinden oder von Navigations-Apps, die den Fahrspurassistenten scheinbar auf die Straße projizieren. Auch Android hat inzwischen mit „ARCore“ ein ähnliches Angebot. Beide sollen die ansonsten enormen Hürden für die Entwicklung von AR-Anwendungen verringern.

Beispiele für den Einsatz von AR

IKEA

Mit Ikeas „Place“-App kann man Möbel virtuell im eigenen Zuhause ausprobieren.

Als einer der ersten erfolgreichen E-Commerce-AR-Anwendungen gilt die App „IKEA Place“. Sie projiziert eine Vielzahl von Produkten direkt in die Wohnung – vom „Billy“-Regal bis hin zum riesigen „Pax“-Kleiderschrank.

Kunden können damit vor dem Kauf eines Möbelstückes beurteilen, ob es tatsächlich in die eigenen vier Wände passt oder Stil beziehungsweise Größe doch nicht wie vorgestellt sind. In seinen Warenhäusern schafft IKEA kleine Wohn-Kapseln, die dem Verbraucher ein möglichst authentisches Bild der Möbelstücke geben sollen. Durch AR lässt sich dieses Konzept vom Testen der Möbel im eigenen Umfeld nun noch weiterführen.

Dabei ist das Beste, dass der Verbraucher verschiedene Einrichtungs-Varianten ausprobieren kann, ohne beispielsweise die ganze Kommode verschieben zu müssen. Das ist in jederlei Hinsicht ein Komfort-Zuwachs.

Amazon

Auch der US-amerikanische Online-Riese Amazon bietet eine ähnliche Funktion in der eigenen App an. Produkte wie Fernseher oder Möbel werden so im Handumdrehen in das heimische Wohnzimmer projiziert.

Als nächstes nimmt sich Amazon die Textil-Industrie vor: Anfang 2018 hat sich das Unternehmen einen AR-Wandspiegel patentieren lassen. Damit sollen Kunden in Zukunft Kleidungsstücke anprobieren können und sie in verschiedensten Umgebungen betrachten.

Dulux

Mit der „Visualizer“-App von Dulux kann man Wände probestreichen.

Das zeigt, dass AR dem Online-Handel auch direkte Vorteile verschaffen kann, die im lokale Handel garnicht möglich sind. So müssen sich Verbraucher beispielsweise bei der Wahl einer neuen Wandfarbe allein auf ihr Vorstellungsvermögen verlassen. Der britische Farben-Hersteller Dulux hat daher eine App entwickelt, die den Anstrich der fraglichen Wand simulieren kann. Für weniger kreative Kunden bietet die App fertige Designs an, die sich auf die eigenen vier Wände übertragen lassen.

Sephora

Auch der Kosmetik-Verkäufer Sephora hat mit einer AR-Anwendung einen echten Vorteil zum herkömmlichen lokalen Handel geschaffen, indem Kunden sich mit nur einem Klick wieder abschminken können. Auch das also ein Komfort, den der stationäre Handel so nicht bieten könnte.

Hemmnisse für den AR-Durchbruch

Viele AR-Anwendungen werden heute nur einmal ausprobiert und dann nie wieder geöffnet, weil sie zu wenig Nutzen im Alltag bringen. Stattdessen  werden sie als Spielerei angesehen.

Neben dem Nutzen ist die Hardware ein Hindernis für die Verbreitung von AR. Zwar sind moderne iPhones und höherwertige Android-Geräte dazu spielend in der Lage. Aber nicht jeder ist bereit, viele hundert bis über tausend Euro für ein solches Smartphone auszugeben. Nur wenn sich die Ausstattung der Mainstream-Handys verbessert, wird auch AR eine größere Verbreitung genießen.

Ein weiterer hemmender Faktor ist, dass die Entwicklung von AR-Applikationen weiterhin mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden ist. Unternehmen müssen zunächst größere Investitionen tätigen, bevor sich mittel- bis langfristig die positiven Auswirkungen von AR bemerkbar machen. Solche Nachteile gleichen sich erfahrungsgemäß mit dem technischen Fortschritt aus und die Einstiegshürden werden sich weiter verringern.

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Wie AR und E-Commerce voneinander profitieren

Immer da, wo sich der Kunde mit einer Vielzahl an Produktalternativen bzw. -variationen konfrontiert sieht, offenbarte sich bisher der größte Vorteil des stationären Einzelhandels: Der Kunde kann verschiedene Dinge ausprobieren und sich einen genauen Eindruck verschaffen ohne beispielsweise auf vorgegebene Bilder und Visualisierungen beschränkt zu sein.

AR gibt dem Online-Handel nun eine Möglichkeit, eine Art Store-Erlebnis künstlich zu erschaffen. Je mehr sich die Technologie weiterentwickelt, desto persönlicher lässt sich das gesamte Kauferlebnis für den Kunden gestalten. So könnten in Zukunft nicht mehr anonyme Models im Online-Shop die Kleidungsstücke vorführen, sondern ein digitales Abbild des Kunden selbst. Sie sehen dann direkt, ob beispielsweise Farbe oder Schnitt eines Kleidungsstückes zu ihnen passt oder eben nicht.

AR und E-Commerce werden sich letztlich gegenseitig beflügeln: AR bringt nicht nur die E-Commerce-Branche voran, sondern der Einsatz im E-Commerce hilft ebenso der Verbreitung von Augmented Reality. Verbreitet sich der Einsatz von Augmented Reality weiter im E-Commerce und damit in den Alltag der Nutzer, dann wird wiederum die allgemeine Akzeptanz von Augmented Reality weiter ansteigen. Anwendungen in verschiedensten E-Commerce-Bereichen werden sich in die Leben der Kunden integrieren. Das allgemeine Interesse an AR-Technologien wird massiv steigen.

Schlusswort

Durch die rasante Entwicklung der Smartphones mit immer besseren und größeren Displays und höherer Rechenleistung ist die wichtigste Schnittstelle für Augmented Reality geschaffen. Nun geht es um Entwicklung sinnvoller Anwendungen. Nach einer Studie von Splendid Research, haben fast 60 Prozent der Deutschen bereits eine AR-Anwendung genutzt und über 70 Prozent hätten Interesse an einer Nutzung. Ein Potenzial, das nun genutzt werden kann.

Die Stärke des stationären Einzelhandels ist nicht nur in Deutschland weiterhin groß und veranlasst E-Commerce-Händler dazu, durch moderne AR-Technologien das Offline-Store-Erlebnis in die digitale Welt zu holen. Dadurch wird Augmented Reality in das alltägliche Leben der Verbraucher integriert und kann durch die Anerkennung der Technologie in weiteren Branchen wie dem Bildungssektor, der Medizin oder der Baubranche eingesetzt werden.

Lesen Sie dazu auch: „Augmented und Mixed Reality: Beispiele, Anwendungen, Potenziale“


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 70

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