Schaffenskrisen überstehen – aber wie?

Egal, ob man Texte schreibt, Musik macht, Filme dreht, Fotografiert: Viele werden diese Zeiten kennen, in denen einem alles sinnlos vorkommt und Ziele unerreichbar fern scheinen. So mancher gibt dann sogar seinen bisherigen Lebensinhalt radikal auf, oft zum Entsetzen der Fans und Freunde. Für Außenstehende ist diese Reaktion kaum zu verstehen. Warum aber ist die Situation für einen selbst so schlimm? Und wie, zum Teufel, kommt man da wieder raus?

Foto: Jan Tißler

Ich bin bekanntlich kein Lebensberater und kein Psychologe. Stattdessen kann ich nur über das berichten, was mir selbst passiert ist und mich auf eure Ergänzungen freuen. Denn ich denke, dass viele von euch sehr genau wissen, was ich meine und vielleicht auch schon die eine oder andere Schaffenskrise überstanden haben. Wenn ihr das den anderen Lesern mitteilen mögt, wäre das klasse.

Gemeint sind hier übrigens keine Depressionen, die vielleicht gar Selbstmordgedanken mit sich bringen. Das sind definitiv Probleme, die man nicht mit sich allein ausmachen sollte.

Ursachen

Wenn man in einer Krise steckt, dann heißt es nicht selten, man müsse „da durch“. Gut, ich muss da durch. Aber wohin?

Und damit sind wir schon beim Kern des Problems: Wenn wir frustriert sind, dann oftmals deshalb, weil die Realität nicht mit unseren Plänen übereinstimmt. Oder aber wir haben zumindest selbst den Eindruck, dass das der Fall ist.

Wir haben Pläne und Ziele. Wir haben Vorstellungen davon, wie wir sein sollten und wie das sein sollte, was wir tun.

Wir vergleichen dann kritisch bis überkritisch das, was wir vorfinden mit dem, was wir vorfinden wollen. Und sind dann bisweilen enttäuscht.

Dabei muss man wissen, dass Unzufriedenheit eine wichtige Überlebensstrategie ist, die praktisch in unser Gehirn einprogrammiert ist. Es schenkt uns Glücksmomente, aber nur kurz. Kaum haben wir etwas erreicht, streben wir schon dem nächsten Ziel entgegen.

Praktisch jeder wird das aus seinem Leben kennen.

Diese Funktion mag einige Jahrtausende lang ganz nützlich gewesen sein, heute aber sorgt sie in vielen Situationen vollkommen unnötig dafür, dass wir unzufrieden sind. Wir streben immer weiter und weiter und erreichen doch nie einen Punkt, an dem wir uns niederlassen können.

Ein typisches Verhalten ist es dabei, permanent die Gegenwart zu beklagen und vermeintliche Fehler aus der Vergangenheit wieder und wieder aufzurollen. Und glücklich und zufrieden sind wir natürlich erst in der Zukunft, wenn diese und jenes geschafft, erreicht oder gegeben ist.

Lösungen

Wäre eine Lösung nun, nichts mehr anzustreben? Im Prinzip schon. Aber aus meiner Sicht kann und soll man gern Ziele haben. Dagegen ist an sich nichts einzuwenden. Schwierig wird das erst durch die Erwartungen, die wir damit verknüpfen. Und problematisch finde ich sie, wenn wir ihretwegen dem Blick darauf verlieren, was wir bereits erreicht haben.

Eine wichtige Lösung ist es stattdessen, die Realität als das anzunehmen, was sie ist. Klingt einfach. Ist schwierig.

Das bedeutet für die Praxis beispielsweise: Krisen und Pausen nicht bekämpfen, sondern sie zulassen, sie als Teil des Lebens akzeptieren. Sich nicht entschuldigen, auch nicht vor sich selbst. Das ist alles verschwendete Lebensenergie! Lieber die Energie sammeln für den Moment, in dem es weitergeht. Und es geht weiter. Immer. Dagegen können wir uns gar nicht wehren.

Die Welt um uns herum ist in ständiger Veränderung. Wir selbst sind in ständiger Veränderung. Unser Körper arbeitet, regeneriert sich, wächst, altert. Eindrücke sammeln sich an. Gedanken. Wissen. Neue Verknüpfungen im Gehirn bilden sich. Andere vergehen. Alles ist Wandel.

Hat man eine Krise oder eine Zeit der Pause, dann kann man diese Zeit nutzen. Anstatt die Energie dafür aufzuwenden, sich selbst für Verfehlungen und Versäumnisse zu schelten, analysiert man das bisher Geschaffene und Erreichte.

Wichtige Frage: Was hat funktioniert und was nicht? Denn es gibt eine ganz einfache Grundregel: Was funktioniert, verstärken, was nicht funktioniert, lassen. Wir beachten diese Grundregel oft nicht, weil wir stattdessen unseren Zielen nachstreben oder einfach nur streben, weil wir das Gefühl haben, streben zu müssen.

Dabei übersehen wir die Realität – das, was wirklich passiert und nicht passiert.

Wer schlau ist, konzentriert sich auf die Dinge, die sowieso von beinahe allein gut funktionieren und spart sich die Energie für alles, was trotz aller Mühsal einfach nicht ins Rollen kommen will.

Stellt sich nur immer wieder die Frage: Ist das nicht aufgeben? Scheitern?

Das ist eine Frage der Sichtweise – und eine Interpretation der Realität. Was wir aber wollen, ist die reine Wahrheit, die Wirklichkeit, ohne alle Interpretation.

Da müssen wir dann zugeben: Wir wissen nicht, was passieren wird. Wir wissen auch nicht, wie unser Leben heute aussähe, wenn wir in der Vergangenheit dies oder jenes anders gemacht hätten.

Und weil wir das nicht wissen können, ist es auch unsinnig, sich damit aufzuhalten.

Zur Klarstellung: Es geht nicht darum, etwas zu verdrängen. Natürlich denkt man über seine Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit nach und es ist auch richtig, das zu tun. Es ist nur falsch, seine Energie davon auffressen zu lassen. Manche Dinge wird man niemals erfahren. Sich damit abzufinden ist nicht naiv, sondern sehr klug.

Am Ende wird man seine Ziele möglichst objektiv, wertfrei und emotionslos überprüfen. Man wird sie eventuell ändern. Man wird besser akzeptieren können, was man bisher erreicht hat. Man wird wahrnehmen, wie glücklich man eigentlich sein könnte, würde man sich nicht selbst mit negativen Gedanken und Gefühlen belasten.

Und eh man sich’s versieht, ist man schon wieder ein Stück seines Wegs weitergegangen.

Beispiel

Zum Abschluss ein Beispiel, das vielleicht alles ein wenig klarer macht. Ihr kennt das Beispiel auch: Es geht um die Seite, auf der ihr gerade diesen Text lest.

Von außen habe ich die Rückmeldung bekommen, dass ich mit UPLOAD bereits viel erreicht hätte. Aber tatsächlich war ich mit der Seite und ihrer Entwicklung über lange Zeit nie zufrieden.

Eine Unzufriedenheit, die mich anspornt und mich weitermachen lässt, ist vollkommen okay und muss nicht weiter hinterfragt werden. Eine Unzufriedenheit aber, die mich am Weiterkommen behindert, mir ein schlechtes Gefühl gibt und dafür sorgt, dass ich am Liebsten alles einstampfen möchte, ist nicht in Ordnung.

Es gibt genügend Anlässe für Frust bei UPLOAD: Das PDF-Magazin hat nur zwei Ausgaben erlebt, der Audio-Podcast hatte zwar über 70 Folgen, aber erscheint nicht mehr und selbst im Blog hat es seit vielen Monaten keinen einzigen neuen Beitrag gegeben.

Am liebsten hätte ich hier sowohl aktuelle News veröffentlicht als auch nützliche Beitrage am laufenden Band gepostet. Das war aber als reines Freizeitprojekt einfach nicht mehr leistbar.

Aber macht das diese Seite deshalb schlecht? Immerhin haben doch viele Menschen hier Mühe investiert und es sind zahlreiche interessante Inhalte dabei herausgekommen. Das, was erschienen ist, hat vielen gefallen. Und nicht zuletzt ist UPLOAD der Anlass für ungezählte weitere (positive!) Dinge, die in meinem eigenen Leben passiert sind. Dazu zähle ich allein schon all die Menschen, die ich durch UPLOAD kennen gelernt habe. Und nicht zuletzt gehen mein Job als Redaktionsleiter Online des t3n Magazins oder jetzt als Leitender Redakteur von neuerdings.com zumindest teilweise darauf zurück.

Die Realität zu akzeptieren bedeutet nun: Wahrnehmen, was wirklich da ist. In der Wirklichkeit ist UPLOAD ein für mich persönlich enorm erfolgreiches Projekt, das sogar schon anderen ganz konkret geholfen hat. Fast 1.400 Postings sind allein hier im Blog erschienen, die über 6.500 Reaktionen in Form von Kommentaren, Pingbacks und Trackbacks bekommen haben. Ich konnte und kann hier viele Dinge ausprobieren, die mir sehr viel Spaß machen. Und das werde ich nun wieder tun – gemeinsam mit anderen.

Dabei geht es nicht mehr darum, UPLOAD zum „Magazin der digitalen Publishing-Revolution“ zu machen, wie es mir 2006 vorschwebte. Es wird eher selten neue Artikel geben. Aber die liegen mir oder den Autoren dann auch sehr am Herzen. Ich bin noch immer sehr begeistert von den Möglichkeiten, die einem das Internet bietet und ich freue mich, wenn ich etwas von dieser Begeisterung weitergeben kann.

Und so hoffe ich, dass auch künftig wieder Leser etwas Nützliches, Interessantes oder Streitbares hier vorfinden werden, das sie gern kommentieren oder weiterempfehlen.

Zum Schluss

Ich verleugne damit nicht, dass ich mit dem „alten UPLOAD“ nicht annähernd erreicht hatte, was ich eigentlich einmal wollte. Aber ich habe viele andere Dinge damit erreicht, an die ich nie gedacht hätte. Das Gefühl des Scheiterns entsteht, weil sich die Realität einfach nicht den Plänen und Wünschen anpassen will und das auch niemals tun wird. Darüber aber zu vergessen, was in Wirklichkeit alles geschaffen wurde, ist tragisch.

Und um das am Ende noch einmal zu betonen: Es geht mir hier vor allem um Schaffenskrisen, in die man sich selbst gebracht hat. An sich lässt sich das Leben an vielen Stellen verbessern, in dem man sich mit der Wirklichkeit versöhnt. Aber mir ist natürlich auch klar, dass es Situationen gibt, in denen das kaum möglich ist.

P.S.: Die Anfänge dieses Artikels reichen bis ins Jahr 2009 zurück. Jetzt habe ich ihn wiederentdeckt und er schien mir sehr passend, denn hinter den Kulissen wird gerade an einem kleinen UPLOAD-Revival gearbeitet. Ein neues Special erscheint in den nächsten Tagen.

A N Z E I G E

BMA - Business Management Akademie

 

8 Gedanken zu „Schaffenskrisen überstehen – aber wie?

  1. Lieber Jan, du hast es erkannt!
    Das Leben ist ein Fluss und es gibt diese sanften, langsamen Stellen im Flusslauf, so wie die Stromschnellen und gefährlichen Bereiche. Die wenigsten denken daran, dass ein Fluss auch mal kurzeitig, oder länger in einen See münden kann… und nach einer längeren Pause bewegen sich die Wasssermoleküle wieder weiter, aus dem See hinaus… in den Fluss :)

    Insbesondere Kreative haben unter sogenannten „Schaffenspausen“ zu leiden. Warum? Weil sie nicht erkennen, dass es zu einer künstlerischen Arbeit dazu gehört und weil sie auf andere Leute hören, die keine Ahnung haben, sich falsch orientieren.

    Leistung = Höher, Weiter, Schneller, Immer, Mehr… So wird Arbeit verstanden. Und das ist komplett falsch, denn das ist keine Arbeit, sondern Wahnsinn!

    Wer etwas künstlerisches, kreatives macht, davon lebt und schlau ist, nimmt diese Pausen dankend an… Der Flash kommt wieder ;)

    See u… in der Pause

  2. Aus meiner Sicht geht es darum möglichst permanent im „Flow“ zu bleiben. Dafür gehört für mich auch sich nicht komplett auf einen Tätigkeitsbereich zu fixieren, sondern möglichst konträre Pole in seinem Leben aufzubauen, die sich gegenseitig mit Ihren „Hochs“ und „Tiefs“ kompensieren.

    Bei mir ist das z.B. Sport/Laufen vs. Informatik/Programmieren vs. Musik/Video/Medienkram vs. zehn andere Sachen, die richtig Bock machen.

    Da bleibt gar keine Zeit keinen Bock auf irgendwas zu haben, weshalb ich irgendwie ständig im Permaflow bin – dazu habe ich allerdings noch keine psychologische Herleitung gefunden ;)

    Mein Tipp: wenn man auf nix Bock hat, einfach mal was aus der eigenen Sicht „total Abgefahren/Gegensätzliches“ machen: z.B. einen Ruderkurs oder Opern-Gesangunterricht oder Flughafen-Flugzeug-Watching.. kein Plan, sucht euch was Nettes – je abgefahrenr desto besser :)

    http://de.wikipedia.org/wiki/Flow_%28Psychologie%29

  3. @Zuckerschnute: Pausen finde ich auch deshalb wichtig, weil sie auf die eine oder andere Weise zu neuem Input führen. Und ohne Input kein Output ;)

    @Martin: Vielen hilft es, ihr Leben aus mehreren Bausteinen zusammenzusetzen. Manche nutzen das aber auch, um permanent vor sich selbst zu fliehen ;) Wie immer kommt es darauf an, mit welcher Intention man etwas tut. Und ich würde es nicht ausschließen, dass es für manche Menschen besser funktioniert, wenn sie sich voll und ganz einer Sache hingeben und dann akzeptieren können, dass es Durststrecken, Krisen, Pausen gibt.

  4. @Jan Tißler Ja. Finde es genauso wichtig, dass man Motivationspausen akzeptiert und ich mache das auch. Wollte nur sagen, dass es mir in solchen Fällen hilft etwas komplett anderes zu machen, um neue Motivationen für das alte Thema aufzubauen. Weglaufgefahr sehe ich bei mir nicht, aber das könnte in der Tat ein Problem für manche sein, wenn man sich zu viele Baustellen aufmacht. Bei mir ist das mehr eine Prioritätsverlagerung. Ich finde es auf jeden Fall super, dass du hier mal wieder was gebloggt hast! Der erste Blogbeitrag nach langer Pause ist ja immer zäh. Freu mich auf die nächsten Aktionen von dir!

  5. Wäre dein Artikel ein Vertrag, ich würde ihn unterzeichnen.

    Auch ich bin mit manchen Aufgaben – und seien sie noch gut – unzufrieden. Das liegt bei mir unter anderem daran, dass ich alle die Jahre einfach zu große Ziele oder Aufgaben gesteckt habe. Ich probiere es gerade so: Stelle mir kleine Aufgaben, Zwischenziele. Diese erreiche ich wesentlich schneller und bin daher öfters zufriedener als jemand, der seinen Aufgaben nicht mehr Herr wird.
    Beispiel: Letztens war meine Mailbox mit tausenden von Mails seit 2009 überfüllt. Und gerade die hat bei mir immer so ein Ohnmachtsgefühl ausgelöst, weil es schon längst nicht mehr übersichtlich war. Mein Tagesziel: E-Mails am Ende des Tages entweder beantworten oder löschen. Aber auch für Aufgaben im Job hilft es: Statt einfach „Redesign von Webseite X“ mache ich mir kleine Tasks, wie „Button rot machen“, „Überschriften fetter“. Das artet ein bisschen in Arbeit aus. Doch viel wichtiger: Ich trickse damit die „einprogrammierten“ Mechanismen aus und fühle mich gut.

    Ein zweiter Punkt: Alles, was du über Upload geschrieben hast, könnte ich 1:1 für Technikwürze übernehmen. Auch ein wahnsinnig erfolgreiches Projekt mit zuletzt wenig neuen Folgen, was in mir absolute Unzufriedenheit auslöst. An der Lösung arbeite ich noch… Vielleicht lese ich deinen Artikel noch einmal.

  6. @David: Vielen Dank für die Ergänzungen :) Große Ziele in kleine Schritte runterzubrechen hilft tatsächlich enorm, das habe ich auch schon feststellen können. Das hilft immer dann sehr, wenn man mit einer Sache nicht anfangen mag, weil sie einem so übermächtig groß und komplex vorkommt. Dann nimmt man dieses Ziel und bricht es so lange in kleinere Aufgaben und Ziele runter, bis man etwas hat, was man sofort umsetzen kann…

    Und dann gibt es noch die Dinge, die man nicht anfängt, weil man einfach ums Verrecken keine Lust drauf hat. Aber das ist dann wieder eine andere Geschichte ;)

  7. Hallo Jan,
    ich versuche mich auch immer wieder in den Fluss des Lebens zu begeben. Wenn es dann mal wieder gar nicht will, hilft mir das Schreiben oder ein gutes Gespräch mit einem Freund. Leben ist Veränderung und wie schon John Lennon sagte/sang:

    „Life is what happens to you
    While you’re busy making other plans“

    Also mehr auf den Lebensfluss hörchen und weniger Pläne schmieden!

    Bis dann

    Wolfram

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