Durch Leander Wattig bin ich erst jetzt auf einen schon Anfang 2008 erschienenen Blogbeitrag des Wired-Herausgebers und Technologietheoretikers Kevin Kelly aufmerksam geworden, in dem dieser acht Möglichkeiten beschreibt, mit denen aus Nutzern zahlende Kunden gemacht werden können. Den Artikel „Better Than Free“ gibt es auch in einer deutschen Übersetzung, die ich hier verwenden möchte. Das Thema Paid beschäftigt mich schon lange, und Kelly Thesen stützen meine Behauptung, dass immer mehr Inhalte nur noch durch zusätzliche Services verkaufbar sind.
Grundsätzlich sieht Kelly das Internet als ein Medium, das darauf ausgerichtet sei, „dem Fließen der Kopien so wenig Reibungswiderstand entgegenzusetzen wie möglich. Tatsächlich fließen die Kopien so ungehindert, dass wir das Internet als einen Supraverteiler sehen können, in dem eine Kopie, sobald sie einmal ins System eingebracht ist, endlos durch das Netzwerk fließt, so wie elektrischer Strom in einem Supraleiter. Die Auswirkungen können wir in unserem täglichen Leben sehen: Wird ein kopierbarer Gegenstand mit dem Internet in Berührung gebracht, dann wird er kopiert, und diese Kopien lassen sich nicht mehr aus der Welt schaffen.“
Diese Eigenschaft macht aus einem einstmals knappen Gut (Information, aber auch Unterhaltung in Form von Musik oder Film) ein Massengut, für jeden zugänglich, unendlich kopierbar – und damit wertlos. Es gilt also, so Kelly, nach dem Unkopierbaren zu suchen, nach dem Wertstiftenden: „Wenn Kopien im Überfluss verfügbar sind, wird das Unkopierbare knapp und wertvoll.“
Kelly findet acht unkopierbare, immaterielle Werte:
- Unmittelbarkeit: Zeitlicher Vorteil durch sofortigen Zugriff
- Personalisierung: Naturlich, viel diskutiert, auch schon vor mir in meinem Blog
- Interpretation: Kelly illustriert das mit einem Beispiel aus der Softwareindustrie: Das Programm ist kostenlos, aber die Beschreibung kostet etwas. Ähnliches gilt ja schon lange für Gesetzestexte, die zunehmend frei verfügbar sind, aber der Kommentar bleibt wertvoll. Das Gleiche gilt für Nachrichten: Die Meldung ist nichts mehr wert, aber die Einordnung und Interpretation sehr wohl.
- Authentizität: Echtheit, Unmittelbarkeit zählen hier, gerade weil die Kopie wertlos geworden ist. Das signierte Buch z.B.
- Zugänglichkeit: Besitz wird Ballast, macht unbeweglich. Die Zukunft liegt „in the cloud„, in der Netzwolke: Zugriff von überall, mit jedem Gerät wird wertvoll.
- Verkörperung: Das Erlebnis ist einmalig, ein Konzert, eine Lesung, nicht mehr das Medium.
- Patronage: Ein sehr interessanter Gedanke. Die Nutzer wollen die Künstler entlohnen. Das deutsche Lehrerportal 4teachers erzielt mit solchen freiwilligen Beiträgen eine Teil seiner Einnahmen.
- Auffindbarkeit: Hinter dieser etwas abstrakten Wertschöpfung verbirgt sich der alte Verlags- und auch Buchhandelsgedanke: Aus der großen Menge von Medienangeboten filtert ein Verlag eben jene hinaus, die er für interessant (oder auch für kundengerecht) hält. Dem Nutzer gibt er damit die Sicherheit, hier die relevanten Inhalte zu finden und somit nichts zu verpassen – Kelly: „Deswegen werden Verlage, Filmstudios und Plattenlabels (kurz: VFP) nie von der Bildfläche verschwinden. Für den Vertrieb, dafür, die Kopien auszuteilen, sind sie nicht notwendig (dafür sorgt die Netzmaschine). Aber die VFP sind notwendig, um die Aufmerksamkeit der Nutzer den einzelnen Werken zuzuteilen. Aus einem Ozean von Möglichkeiten wählen die VFP Werke aus, fördern und verfeinern sie – Werke von Urhebern, von denen sie glauben, dass sie die Fans ansprechen werden. Auch andere Vermittler, wie Kritiker und Rezensenten lenken die Aufmerksamkeit.“
Ich finde diese Liste schon sehr gut, glaube aber, dass es noch mehr Ansätze gibt – hier ein paar weitere Ideen:
- Multimedialität: Inhalte werden durch multimediale Ergänzungen wie Filme, Animationen, Podcasts aufgewertet.
- Exklusive Verpackung und Aufmachung: Das Phänomen ist im Buchmarkt lange bekannt, auch die Musikindustrie hat entdeckt, dass Fans nicht nur die Musik kaufen, sondern das ganze Paket. So können aus digitalen Kopien wieder wertige, haptische Produkte werden.
- Metadaten: Für viele Kunden, z.B. im B2B-Bereich, ist nicht nur die Auffindbarkeit eines Inhalts, sondern sein Kontext, seine Einbindung wichtig. Das geht nur über hochqualifizierte Metadaten.
- Kontextualisierung: Die Zwillingsschwester zur Personalisierung, aber nicht zu verwechseln. Kunden wollen Inhalte im Kontext nutzen, der Architekt z.B. auf der Baustelle über sein iPhone, mit dessen Hilfe er Informationen zu einer Konstruktionsfrage oder einem Baustoff abruft.
Wie gesagt, erste Idee – to be continued. Immer nach dem Motto: Nichtkopierbare und kundenorientierte Werte schaffen.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich im Blog zum Publishing-Business.
Über den Autor
Ehrhardt F. Heinold ist Geschäftsführer der Heinold, Spiller & Partner Unternehmensberatung GmbH. Seine Fachgebiete sind unter anderem Internet-Strategie, Content Management und Cross Media Publishing. In seinem Blog kommentiert er aktuelle Entwicklungen im Publishing-Business.
Kelly hat damit schon recht, doch kann man sein Punkte auch wirklich in der Realität umsetzen? Ich denke nicht! Man sollte dabei eher einen Mittelweg nochmals finden. Aber man wird eh sehen was passiert!
Man muss sich immer überlegen, wofür man selbst Geld bezahlen würde. Ich kann mir z. B. gut vorstellen, dass man für eine mobil-freundliche Ausgabe einer Zeitung bzw. eines Magazins auch Geld bezahlt, wenn sie im Web umsonst ist. Ein gewisser Mehrwert wie gute Fotos sind auch etwas wert.
ja, die leute sind im prinzip schon bereit, für solche inhalte zu bezahlen, aber auch nicht mehr in so extremen maße wie früher.
wenn es gut ist, bin ich bereit, zu zahlen. Ich denke, die meisten leute sehen das so