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Online-TV: Glotze im Wandel

Video-Podcasts, YouTube, IPTV, Downloadportale für Filme und Serien: Die gute alte Flimmerkiste hat ganz schön zu kämpfen. Internetnutzer sind es gewöhnt, das Programm selbst zu bestimmen, Neues zu entdecken, sich auf jeden Fall nicht an ein Programmschema zu halten. Und als wenn das alles noch nicht schlimm genug wäre, werden die einstmals zur Passivität verdammten Zuschauer auch noch selbst zum Sender.

Auf der Couch zu sitzen und sich berieseln zu lassen, ist noch immer für viele die beliebteste Methode, um zu entspannen und die Zeit totzuschlagen. Manchmal wird das klassische Fernsehen auch noch genutzt, um sich zu informieren.

Aber meine Behauptung: Je intelligenter die Zuschauer und je mehr Interneterfahrung sie haben, desto weniger Bedeutung hat das dauersendende Fernsehen. Was abends in der Tagesschau läuft, habe ich längst bei Spiegel Online oder anderswo im Bewegtbild gesehen – plus viele Zusatzinfos, die mir die klassische Fernsehsendung niemals bieten kann.

Mich persönlich nervt es, von den Programmplanern abhängig zu sein. Anspruchsvolle Sendungen laufen gern spätabends, Serien irgendwann tagsüber, Informationssendungen während ich noch unterwegs bin. Ich will das sehen, worauf ich Lust habe und zwar zu der Zeit, die mir am besten in den Kram passt. Und wenn ich eine Sendung nicht zu Ende sehe, schaue ich sie ein anderes Mal weiter.

Das bieten die zahlreichen neuen Möglichkeiten des Internet-Fernsehens. Denn das Internet kann alles das, wovon das TV schon eine ganze Weile träumt. Sendungen können auf Abruf zur Verfügung stehen und es gibt einen Rückkanal, beispielsweise für Zuschauerreaktionen oder interaktive Sendungen (es muss ja nicht 9live sein…).

Und das Beste ist: Wir alle können selbst zum Sender werden – jedenfalls oftmals.

Podcasts

Screenshot iTunes
Podcasts bei iTunes: national, international, Profis und Laien einträchtig nebeneinander.

Beim Podcasting wird eine Datei zum Download zur Verfügung gestellt und der Interessent hat die Möglichkeit, sich über neue Sendungen informieren zu lassen oder diese sogar automatisiert herunterzuladen. Das Format RSS macht es möglich: Was einst nur zur Übermittlung neuer Überschriften auf Netscapes Nachrichtenportal gedacht war, kann heute nicht nur ganze Texte, sondern auch Dateien verteilen. Siehe dazu übrigens auch mein kleines Interview mit „Schockwellenreiter“ Jörg Kantel, der ein Buch zu RSS veröffentlicht hat.

Viele Privatleute werden dabei selbst aktiv. Besonders Audio-Podcasts sind vergleichsweise einfach produziert (zur passenden Podcast-Ausrüstung habe ich hier einmal etwas geschrieben). Zwar hat sich der Hype um das Thema beruhigt und die Euphorie hat nachgelassen. Aber die Technik bleibt und findet ihre Freunde.

Durch die weitere Verbreitung von Webcams oder Handys und Digitalkameras mit Videofunktion ist das Produzieren von Podcasts mit Bild ebenfalls deutlich einfacher geworden.

Wer Lust und Interesse hat, kann sein Publikum erreichen. Und das sofort.

Um Podcasts zu abonnieren, ist eine entsprechende Software notwendig, die sich „Podcatcher“ nennt. Apples iTunes kann das beispielsweise. Eine Übersicht zu Podcatchern gibt es hier bei Podcast.de. In der Regel kann man sich die Folgen eines Podcasts auch direkt von einer Website herunterladen. Aber das ist dann nur der halbe Spaß ;-)

YouTube & Sevenload

Screenshot Sevenload
Startseite von Sevenload.

YouTube ist eine Internetplattform für Online-Videos. Die meisten werden sie kennen. Hier werden die Inhalte jedenfalls nicht wie bei den Podcasts im Abo zur Verfügung gestellt, sondern man hat eine Website mit immer neuen Inhalten, die man durchstöbern kann – und muss.

Die Qualität schwankt natürlich, sowohl technisch als auch inhaltlich.

Neben vielen Privatvideos finden sich Mitschnitte aus Fernsehprogrammen, die nicht immer mit dem Einverständnis der Urheber hier gelandet sind. Der eine oder andere Sender hat allerdings erkannt, dass YouTube ein neuer Vertriebskanal für seine Inhalte sein kann und hat sich mit dem Portal geeinigt, das inzwischen zu Google gehört.

Ebenso wie bei Podcasts konkurrieren hier privat erstellte und professionelle Angebote direkt miteinander.

Interessant ist, dass YouTube über das „Apple TV“ fernsehtauglich gemacht wurde. Das Apple TV ist ein Zusatzgerät („Set-Top-Box“) für den Fernseher, mit dem man Inhalte wie Filme, Bilder oder Musik vom heimischen Rechner auf das TV-Gerät schicken kann und das seit einiger Zeit einen eigenen Zugang zu YouTube bietet. Der Nutzer erforscht die zahlreichen Filme dabei von der Couch aus mit der Sechs-Tasten-Fernbedienung des Apple TV. Hier zeigt sich, dass nutzergenerierte Inhalte durchaus massentauglich gemacht werden können, wenn man sie entsprechend aufbereitet.

Ob „die Massen“ das auch so annehmen, muss man sehen. Trotzdem: Für die Zukunft ist da noch einiges zu erwarten.

Das deutsche Sevenload geht einen ähnlichen Weg. Video spielt hier ebenfalls eine zentrale Rolle, allerdings auch Fotos und neuerdings gibt es sogar Audio-Podcasts wie den vom Teddykrieger. Die Inhalte werden in Kanäle sortiert und auch sonst bemüht man sich sehr, Ordnung in die Vielfalt zu bekommen. Die Seite macht einen sehr professionellen Eindruck – für manchen zu professionell? Mal schauen, wie sich dieser YouTube-Konkurrent weiterentwickelt.

IPTV

IPTV und Internet-Fernsehen werden oftmals gleichgesetzt, obwohl es unterschiedliche Dinge sind. Bei IPTV wird lediglich die auch dem Internet zugrundeliegende Technik verwendet, um die Daten zu transportieren: das Internet-Protokoll (IP). Das bedeutet aber nicht, dass die Daten wie Filme und Sendungen tatsächlich über das World Wide Web zur Verfügung gestellt werden. Es ist möglich, dass dazu eine ganze eigene Infrastruktur benutzt wird.

Inzwischen können übrigens auch private Interessenten Live-Fernsehen prouzieren. Thomas Knüwer („Indiskretion Ehrensache“) vom Handelsblatt hat dazu mit einigen Freunden schon Erfahrungen gesammelt.

Downloadportale

Wer sich für bestimmte Filme und Serien interessiert, kann diese inzwischen in guter Qualität kaufen oder mieten. Apples iTunes Store hat mit Musik angefangen und sein Angebot inzwischen zumindest in den USA erheblich ausgeweitet. Auch Fernsehsender haben diese Möglichkeit entdeckt und bieten Sendungen zum Download an, beispielseweise RTL bei RTL now oder die Sendergruppe ProSieben-Sat.1 mit Maxdome. Die Telekom versucht mit T-Home Entertain das so genannte Triple Play in Deutschland zu etablieren: Telefon, Internet und Fernsehen über eine Leitung.

Diese Systeme sind in sich geschlossen und stehen privaten Interessenten eher nicht zur Verfügung, um selbstproduzierte Sendungen zu verbreiten.

Joost

Screenshot der Joost-Website
Die Website von Joost: „The new way of watching TV“

Joost ist eine neue Plattform, die aus der Feder der Macher von Kazaa und Skype stammt: Janus Friis und Niklas Zenström. Die Herren dahinter haben also Erfahrung damit, wie man große Datenmengen durchs Internet transportiert.

Joost funktioniert mit einer entsprechenden Software auf dem eigenen PC oder Mac. Der Nutzer kann durch die Liste mit den Sendern scrollen und sich ein Programm nach seinem Geschmack aussuchen.

Technisch greift Joost auf einiges zurück, was die Macher schon von der Musiktauschbörse Kazaa kennen: „peer to peer“. Darunter versteht man, dass es nicht einen einzelnen Server oder Serverpark gibt, auf dem die Daten liegen und auf den dann alle Nutzer zugreifen. Stattdessen sind alle Nutzer zugleich auch Anbieter der Daten. Anders gesagt: Was man bereits heruntergeladen hat, steht anderen als Download zur Verfügung. Auf diese Weise wird die benötigte Bandbreite, um die Daten durchs Internet zu bringen, auf viele Punkte verteilt, anstatt sie an einer Stelle zu konzentrieren. Die Last wird auf die Schultern aller Nutzer verteilt.

Joost ist derzeit ein geschlossenes System. Im Gegensatz zu Podcasts oder YouTube ist es also kein Angebot, an dem sich jeder beteiligen könnte.

Das Internet

Neben solchen punktuellen Angeboten ist das Internet inzwischen voller Videos. Wer von YouTube oder Podcasts bei iTunes noch nicht genug hat, kann weltweit hunderte Sender finden. Auch für den deutschen Markt gibt es inzwischen Seiten, die sich an einer Übersicht versuchen: Gogooroo beispielsweise oder My-TV. Kollege Ernst Probst hat eigens dafür eine Seite gestartet, auf der er seine Entdeckungen sammelt und auf der er eine laufend aktualisierte Liste mit Linktipps hat.

Jeder hat also die Chance, mit seinen Video-Inhalten sein Publikum zu erreichen. Die Schwierigkeit besteht, wie bei Weblogs, allerdings darin, in der Masse der Angebote überhaupt entdeckt zu werden.

Fazit

Nicht nur das Radio bekommt mit Podcasts einen neuen Wettbewerber an die Seite, auch das klassische Fernsehen sieht sich neuen Konkurrenten gegenüber. Und da Bewegtbilder bei den Nutzern ungeheuer beliebt sind, scheinen hier die Zukunftsaussichten besonders spannend. Über Techniken wie Podcasting kann dabei praktisch jeder Internetnutzer auch zum Anbieter werden – und damit zum Sender.

Die Zukunft liegt aus meiner Sicht in Angeboten wie dem Apple TV oder Joost: sofataugliche Umsetzungen, für die eine handliche Fernbedienung als Steuerung reicht. Wird Zeit, dass sich einige Video-Fans zusammenfinden und eine gut funktionierende Plattform ohne vordergründig kommerzielle Interessen aus der Taufe heben. Versuche dazu gibt es ja einige.

Übrigens ist derzeit tatsächlich in der Diskussion, inwiefern per Internet „ausgestrahlte“ Sender eine Lizenz benötigen. Diese Diskussionen möchten jedenfalls gern die Landesmedienanstalten anschieben.

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BMA - Business Management Akademie

 

5 Gedanken zu „Online-TV: Glotze im Wandel

  1. Eines haste vergessen: Konventionelles Fernsehen getuned mit VDR. Für Sachen, die man sich z.B. zu mehreren ansehen will, noch ein wenig bequemer als der PC.
    Optional zapft der dann gleich die hier genannten Quellen an und macht sie per Fernbedienung zugänglich.
    Dabei fällt mir ein, dass ich immer noch nicht LIRC zuende installiert habe… 8-)

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