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Jonettag-Mediacamp: Corporate Publishing

In einer der Workshop-Runden beim Jonettag-Mediacamp am 8. September in Hamburg ging es ums Corporate Publishing, also um Medien, die von Unternehmen herausgegeben, produziert oder beauftragt werden. Vor allem der Einfluss des Web 2.0 mit Weblogs und Podcasts war dabei eines der zentralen Themen. Welche Zukunft haben gedruckte Magazine noch? Kann ein Chef bloggen? Und essen Blogger wirklich Marmelade mit Chips?

Der digitale Boom

Schon zweimal war Corporate Publishing Thema auf einem Jonettag. Noch vor zwei Jahren sei man dabei selbstverständlich davon ausgegangen, dass man über Gedrucktes spreche, sagte Moderator Torsten Meise zu Beginn. „Damals ging es höchstens um ein Kundenmagazin als PDF zum Download. Das hat sich geändert.“ Schuld daran ist das Web 2.0. Konzepte fürs Digitale würden „selbstverständlich verlangt“.

Eine Erfahrung die Kay A. Schönewerk als Chef des Journalistenbüros 4iMEDIA auch zum Teil gemacht hat. Es gebe zwei Kunden: „Die einen erwarten sehr viel, wollen Print und online und wissen, wie kann man das verknüpfen kann. Dann wiederum gibt es andere Kunden, die noch gar nichts in dieser Richtung gemacht haben. Da haben wir regelmäßig harte Gefechte auszufechten.“

Bier, Studenten und das PDF-Magazin

Als Beispiel führte er Sternburg Bier aus Leipzig an, eine kleine Brauerei mit Studenten als wichtige Zielgruppe. Ein normales Kundenmagazin zu machen würde nicht funktionieren. Daher erdachte man ein digitales Fan-Magazin: „Sterni“. Das ist ein PDF-Magazin „mit starker Verbindung in die Online-Welt“. Vor über einem Jahr ist es gestartet und hat mehrere zehntausend Abrufe. Die Sternburg-Gruppe sei sehr überrascht von diesem Erfolg, sagte Schönewerk. „Ein unheimlicher Hype, der um dieses Magazin gemacht wird. Es funktioniert einfach.“

Olaf Kopmann, New-Media-Experte bei Hoffmann und Kampe, hat eine andere Schwierigkeit ausgemacht: Die Etats für Print und Online sind oft getrennt. „Beim E-Journal wird nicht immer an den Corporate Publisher gedacht.“ Das mache dann eher die Web-Agentur.

„Blogs brauchen Transparenz“

Mit Blogs täten sich viele Unternehmen relativ schwer. Zentrale Frage: Soll man es moderieren oder zensieren? Ein Blog brauche aber Transparenz, sonst sei es gleich ein gescheitertes Projekt, stellte er fest.

Sören Stamer ist Chef von Coremedia und gehört der seltenen Spezies der „CEO-Blogger“ an. Sein Blog findet sich unter superdistribution.net. Er schwärmt uneingeschränkt vom Bloggen. „Meine Mitarbeiter erleben mit, wie ich nach außen kommuniziere“, erklärte er. Schließlich sind die eigene Mitarbeiter eine wichtige Zielgruppe des Chef-Blogs. Aber natürlich schreibt er auch für die Menschen, die sich für Coremedia interessieren. „Emotional erreiche ich mit meinem Blog unglaubich viele. Ich habe noch keine Pressemitteilung von uns gelesen, die einen Menschen begeistert hätte“, stellte er fest. Für sein Blog bekomme er hingegen Feedback von Menschen, die sagen, dass es sie zum Nachdenken gebracht habe.

Eine weitere wichtige Funktion: Er kann sein Unternehmen so darstellen, wie er es sieht und damit beispielsweise Medienberichten entgegentreten. Er berichtete von einem Fall, in dem ein Analyst die Firma aus Stamers Sicht falsch dargestellt hatte. Sören Stamer bloggte seine Meinung und verlinkte den fraglichen Artikel. Der Analyst wiederum hatte die Größe, auf Stamers Artikel zu verweisen. Auf diese Weise konnten sich die Leser ein umfassendes Bild zum Thema machen.

„Ich tue dem Unternehmen einen Gefallen, in dem ich kommuniziere und Bewusstsein schaffe für Themen“, begründete Stamer sein Engagement. „Das schaffe ich mit meinem Blog viel effizienter als mit anderen Möglichkeiten.“

Und schon bald soll noch mehr gebloggt werden. Auch die Mitarbeiter und selbst die Kunden dürfen ran. Eingeschränkt werden die Autoren dabei nicht. „Die Mitarbeiter entwickeln ein Gespür dafür, wo die Grenzen sind“, ist sich Sören Stamer sicher. Und nur auf diese Weise könne ein Blog überhaupt funktionieren. Wenn es nicht authentisch sei, zwanghaft, nicht ehrlich, dann würden die Menschen das spüren.

Angst vor dem Kontrollverlust

Dass nicht jeder Chef und jede Firma mit diesem Kontrollverlust leben kann, versteht Sören Stamer. „Wir leben noch nach dem Modell der Kontrolle und damit auch der Angst. Man braucht Vertrauen, dass die Menschen auf die Website am Ende nichts Böses schreiben.“ Für diesen Mut brauche es eine „Vertrauenskultur“.

Kay A. Schönewerk sah das Ende der Pressemitteilung und klassischer Pressearbeit noch nicht gekommen. „Bloggen ist eine Ergänzung der Kommunikation, es wird nichts verdrängen.“ Corporate Publishing werde insgesamt sogar stärker werden. Zwar gingen in seinem Haus Publisher und Blogger nach journalistischen Maßstäben vor, aber dennoch seien es zwei verschiedene Ergebnisse. Deshalb wurden die Blogger ausgegründet. „Blogger können anders arbeiten, sie können anders denken. Das haben wir nun geschafft, weil wir sie ausgegründet haben“, erklärte er diesen Schritt.

Die Ausgründung heißt „jam & chips – die Blogmacher“. „Blogger essen tatsächlich Marmelade mit Chips. Wenn die so lange schreiben, dann essen sie, was noch da ist“, scherzte Schönewerk. Oder war das etwa gar kein Scherz?

Tochterpflanzen und Mutterpflanzen

Jedenfalls habe man die „Tochterpflanze“ von der „Mutterpflanze“ getrennt und festgestellt, dass die Tochterpflanzen selbst stark werden. „Sie entwickeln eigene Instrumente und Produkte. Das sind wieder neue Tochterpflanzen.“

So wird es beispielsweise ein Hochzeitsblog geben. Videojournalisten sollen auf Hochzeiten gehen und dort die Leute interviewen und es online stellen. Sie berichten von privaten Veranstaltungen. „Wir hätten nie gedacht, dass das geht und es geht“, erklärte Schönewerk.

Dass Print und Online unterschiedliche Welten sind, hat auch Olaf Kopmann bei Hoffmann und Campe bereits feststellen müssen. Man brauche für „Elektronik“ neue Leute. „Es ist schwierig, printdenkende Menschen in Voll-Elektroniker zu verwandeln“, erklärte er. Seit einem Jahr baut er den Bereich im Verlag auf und setzt auf Leute, die „rein online-konzeptionell“ arbeiten.

„Sauberes journalistisches Handwerk ist entscheidend“

Einig schienen sich alle, dass es ohne fundierte Ausbildung nicht geht, egal ob als Journalist, PR-Spezi oder als Profi-Blogger. „Wenn ich Leute zu einer Messe schicke und sage, dass ich 20 Gechichten brauche, dann muss derjenige ein guter Rechercheur sein und sein Handwerk beherrschen“, sagte Kay A. Schönewerk. Er würde keinen Blogger nehmen, der keine Ausbildung hat. Sauberes journalistisches Handwerk sei entscheidend. „Wenn sie eine vernünftige Ausbildung haben, sind sie für alle Bereiche einsetzbar.“ Eher würde er einen gelernten Journalisten zu einem Blogger ausbilden als umgekehrt.

Dass die Medienlandschaft grundlegende Wandlungen durchmacht, scheint dabei weitgehend angekommen und Konsens. „Die Frage ist: Glaube ich dem Absender der Information?“ erklärte Sören Stamer. Früher habe man diese Glaubwürdigkeit vor allem an Institutionen wie beispielsweise der „Tagesschau“ festgemacht. In den Blogs mache man es hingegen an dem Menschen fest.

Kay A. Schönewerk sieht neue Medienwelten entstehen, geschaffen von Unternehmen. „Sie bauen sich ihre eigene Community und ihr eigenes Medium.“

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BMA - Business Management Akademie

 

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