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Die vage Zukunft der Zeitungen und des Journalismus

Die Debatte um die Zukunft des Journalismus allgemein und speziell um die Zukunft der Zeitungen ist auf einem neuen Höhepunkt angekommen. Bezahlte Inhalte sollen (wieder einmal) als Rettung herhalten. Parallel erreicht die Zeitungskrise in den USA immer neue Höhepunkte. Nun haben sich die „Rocky Mountain News“ verabschiedet – nur wenige Tage vor dem 150. Geburtstag. In diesem Beitrag finden sich Links zu den Brennpunkten der aktuellen Diskussion. Dazu einige persönliche Gedanken als jemand, der sein journalistisches Handwerk bei einer Tageszeitung gelernt hat.

Zum Ende der „Rocky Mountain News“:

  • Unter dem Titel „Final Edition“ zeigt dieser rund 25-minütige Film das Ende der „Rocky Mountain News“ und welche weitreichenden Folgen es hat.
  • „Wenn Verlagsmanager und Tageszeitungsjournalisten nicht endlich erkennen, dass sie ihr Produkt den neuen Gegebenheiten im Nachrichtenfluss ihrer Kunden anpassen, dass werden wir im Frühjahr 2010 ein ähnliches Video in deutscher Sprache bekommen“, sagt Thomas Knüwer.
  • „So viele amerikanische Städte sind es nicht mehr, in denen es noch zwei oder mehr bedeutende Zeitungen gibt“, stellt Alexander Svensson fest.
  • „All jene, die über die Einstellung der Rocky Mountain News bestürzt sind, offenbaren ja ein entsprechendes Informationsbedürfnis. Es wird nicht lange dauern, bis jemand diese Chance erkennt und nutzt. Nicht nur in Denver. Überall“, meint Leander Wattig.
  • „Ich habe selten etwas gesehen oder gelesen, das das einsetzende Zeitungssterben so plastisch und nah zeigt. Der Tod einer Zeitung bedeutet schließlich nicht nur das Ende eines Produkts. Jobs gehen verloren, treue Leser verlieren “ihre” Zeitung und damit nicht nur eine Informationsquelle, sondern ein Stück Leben und Kultur“, schreibt Jens Schröder.
  • „Wie kommen ab jetzt in dieser Stadt (seriöse) Nachrichten und Kommentare an den Mann? Und wo platzieren lokale Unternehmen ihre Werbung und ihre PR? Den eben entlassenen Journalisten und Redakteuren der Rocky Mountain News sollte nicht bange sein, denn sie werden schon sehr bald wieder gebraucht – nur in einer ganz anderen Art und Weise“, schreibt Matthias Schwenk.

Und zum Thema „bezahlte Inhalte“:

Aus meiner persönlichen Sicht haben Zeitungen noch nicht alle Chancen verpasst. Sicher: Sie sind seit Jahren (und nicht erst seit dem Siegeszug des Internets) auf dem absteigenden Ast. Aber ob diese seit den 80ern sinkende Kurve so in die Zukunft verlängert werden kann, ist reine Spekulation.

Noch haben Zeitungen einen erheblichen Einfluss. Oder sagen wir statt „Zeitung“ besser: die dahinterstehenden Verlage. Sie kennen die Werbekunden. Sie kennen die Leser. Sie haben eine eingeführte Marke. Sie wissen, wie man ein Medienprodukt erfolgreich aufzieht. Sie haben die Mannschaft und sie haben nach wie vor viel Geld. Zudem ist die Zeitung als Medium noch bei vielen Menschen in den Köpfen. Das sind Vorteile, die andere Produkte und Projekte in dieser Form nicht haben.

Mit der Weiterentwicklung des Internets und vor allem der Geräte, die das Internet nutzen, werden sich in den nächsten Jahren immer wieder neue Felder auftun, auf denen die Zeitungen (und damit ihre Verlage) das richtig machen können, was sie in den vergangenen Jahren falsch gemacht haben.

Dazu werden sie sich wohl oder übel von lieb gewonnenen Einnahmemodellen verabschieden müssen. Auch sitzen die Verlage und Journalisten nicht mehr allein auf ihrem medialen Thron. Zeitungen sehen sich vielmehr einer neuen Medienlandschaft gegenüber.

Dennoch: Sie sind trotz schwindender Bedeutung in vielen (vor allem jüngeren) Bevölkerungsschichten noch gut in der Gesellschaft verankert. Jetzt könnten sie sich im Internet verankern.

2007 hatte ich geschrieben, dass Lokalzeitungen eigentlich wie Weblogs sind. Ich hatte zudem erklärt, wie ich mir einen neuen im Zusammenspiel mit den Lesern angetriebenen Journalismus vorstellen könnte.

Das alles kann man als Gefahren ansehen, als Risiko – oder als Chance.

Ob die Verlage und ihre Zeitungen diese Chancen nutzen oder nicht, liegt in ihrer Hand. Wenn sie es nicht tun, werden andere es übernehmen – zum Beispiel Leute wie Du und ich, die sich für das Internet begeistern, anstatt es zu fürchten und zu bekämpfen.

A N Z E I G E

 

13 Gedanken zu „Die vage Zukunft der Zeitungen und des Journalismus

  1. Interessanter Artikel. Ich für meinen Teil glaube nicht daran das die Printmedien noch eine Zukunft haben. Sie sterben, wie du schon richtig sagst, seit Jahren einen langsamen und gar fürchterlichen Tod. Statt sich auf die geänderten Umweltbedingungen einzulassen, jammern sie dem ehemals so lukrativen Geschäftsmodell hinterher und ersaufen förmlich in Selbstmitleid.

    Ich glaube das der Journalismus irgendwann auch nicht mehr am Web 2.0 vorbeikommt. Journalisten stellen ihre verfügbaren Kapazitäten zur Verfügung und werden von den „Verlagen“ dann entsprechend ihres Fachgebietes für einen Artikel oder eine Artikelserie gebucht. Der – online ja sehr leicht messbare – Erfolg dieses Artikels bestimmt dann die Tantiemen die der Journalist dafür bekommt. Thats it! So würde ich das machen. Und wenn mir jemand die Idee klaut, dann gibts Ärger! ;-)

  2. Vielen Dank für Deine Ergänzung. Dein Modell findet heute übrigens schon statt – nur meistens ohne die „erfolgsabhängige“ Bezahlung. Und da möchte ich einmal kurz einhaken: Ist der „Erfolg“ eines Artikels wirklich so leicht messbar, wie Du sagst? Ich bezweifle das ein wenig. Was ist denn erfolgreich? Viele Abrufe? Viele Kommentare? Viele Links von außen? Viele Artikel zum selben Thema in den folgenden Tagen auf anderen Seiten? Oder vielleicht auch etwas, was man schlichtweg nicht messen kann – wie zum Beispiel eine Imagesteigerung für die Website?

    Mathias Müller von Blumencron hat einmal in seiner damaligen Eigenschaft als Chefredakteur von Spiegel Online erklärt, dass sie zwar viel und sehr exakt auf die Abrufzahlen schauen, sich aber nicht allein nach ihnen richten. Es gibt nach seinen Worten Beiträge, die vergleichsweise wenig gelesen werden, aber dennoch eine erhebliche Bedeutung für das Produkt haben – weil sie z.B. den Gesamteindruck mitprägen und zum Teil von den Lesern schlichtweg erwartet werden. Auch diese Artikel haben einen wichtigen und zugleich schwer messbaren Anteil am Erfolg.

    Das ist übrigens etwas, was wohl viele Leser von Zeitungen und Zeitschriften heute (noch) bei Internet-Angeboten vermissen: Das gestaltete Gesamtprodukt, das sie auch mal mit etwas überrascht und nicht nur der neuesten News hinterherhechelt, das dabei zudem einen erkennbaren Charakter hat und für etwas steht. Und das erreicht man eben nicht, wenn man nur auf die Zahlen schaut.

    Versteh das bitte nicht als Herabsetzung Deiner Idee. Sie hat mich lediglich zu diesem Gedankengang angeregt. Und dafür noch einmal vielen Dank! :-)

  3. Der – online ja sehr leicht messbare – Erfolg dieses Artikels bestimmt dann die Tantiemen die der Journalist dafür bekommt.
    Dieses Modell verfolgt in Ansätzen bereits http://www.suite101.com, die dadurch ja auch eher im Clinch mit dem DJV liegen, allerdings m.E. auch nicht an die Qualität traditioneller Zeitungen heranreichen können…

    Irgendwie funktioniert der Trackback nicht, daher ein manueller Link:
    REST IN PEACE: ein Trackingdienst zum Zeitungssterben

  4. Ich habe gerade zu diesem Thema in w&v Media einen Beitrag geschrieben.

    Ich bin der Meinung, dass Tageszeitungsverlage in einer Symbiose von LocalNews und Networking durchaus eine Chance haben, zu überleben. Stimme also den vielen Pluspunkten, die Sie in Ihrem Artikel erwähnen durchaus zu.

    Allerdings bin ich sehr skeptisch, dass Tz-Verlage schon den Mut, die Entschlossenheit und die Kreativität aufbringen, sich dieses Themas in vollem Umfang zu stellen.

    Ganz wichtig ist aus meiner Sicht bei einer solchen Lösung eine nationale Dachmarke aller Tageszeitungen, damit sie sich dort in der Vernetzung der Themen und insbesondere in der Vernetzung des Netzwerkes der User wiederfinden.

    Wir haben ein solches Konzept entwickelt und wir würden uns freuen, wenn nicht nur Tageszeitungs-Verlage, sondern auch Lokal-Radios, Placeblogger, Regional-Wikis usw. sich dort zusammenfinden würden.

    Besten Gruss
    Hans Bayartz

  5. Noch einmal zurück zum Zeitungssterben:

    Jeff Jarvis, der das Phänomen gern streng betrachtet und Printjournalisten vorhält, dass sie selbst Schuld sind, wenn sie arbeitslos werden (u.a. weil sie die Zeichen der Zeit ignorieren und weil sie sich zu wenig mit digitaler Technik befassen), hat in seinem Blog Buzzmachine kürzlich ein Gegenbeispiel gelobt:

    Er berichtet über den Hollywood-Journalisten Greg Hernandez, der eine Woche nach seiner Kündigung bei der LA Daily News den ehemaligen Kollegen per Blog Konkurrenz macht.
    http://www.buzzmachine.com/2009/03/04/life-after-dead-trees-newspapers/

  6. Die klassichen Zeitungen werden in Zukunft auf jeden Fall mehr auf das Internet inklusive Blogs etc setzen müssen.

    Vermutlich werden bald sogar erst Inhalte online veröffentlicht und davon nur noch Ausgewähltes in Print-Ausgaben veröffentlicht. Diese Zeitungen dürften dann aber erheblich teurer sein, weil keiner mehr in der Zukunft Anzeigen im Print-Bereich schalten wird.

    Interview zum Thema: http://www.hingesehen.net/?p=944

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