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Kreative Intelligenz und Künstliche Kreativität: Ist KI nun Helfer oder Zerstörer?

Kreativität ist etwas zutiefst Menschliches. So denken wir jedenfalls. Aber wenn Maschinen inzwischen verblüffend gut Intelligenz imitieren können, ist dann Kreativität nicht der logische nächste Schritt? Jan Tißler schaut sich in diesem Beitrag an, was Kreativität eigentlich ist, wo die kreativen Grenzen von KI heute liegen, inwiefern diese Tools nützlich sind und ob wir es am Ende überhaupt mit unserem Gewissen vereinbaren können, sie zu nutzen.

(Illustration: © LustreArt, depositphotos.com)

Zusammenfassung

  • KI-Assistenten wie ChatGPT können als kreative Sparringspartner dienen und sind jederzeit verfügbar
  • KI kann in engen Grenzen kreativ sein, ist aber auf seine Trainingsdaten beschränkt und erschafft keine vollkommen neuartigen Ideen
  • KI-Tools können Kreativität auf vielfältige Weise anregen, z.B. durch Ideengenerierung, Inspiration und Problemlösung
  • Der Mensch sollte bei kreativen Prozessen die Kontrolle behalten, besonders bei Entscheidungen, die Intuition und Ethik erfordern
  • Die Nutzung von KI für kreative Inhalte wirft ethische Fragen auf, insbesondere bezüglich des Trainingsmaterials

Eine deutlich jüngere Version von mir saß vor vielen Jahren mit einem Freund und Kollegen im Auto und reiste zu einem Kreativseminar.

Ich war damals im Volontariat, also mitten in der Ausbildung zum Redakteur. Und neben ganz praktischen Übungen und Aufgaben gehörten dazu eben auch gezielte Fortbildungen.

So weit, so gut. Aber ein Seminar über Kreativität? Was für eine unsinnige Idee!

So dachte ich jedenfalls.

Mein Standpunkt war: Entweder ist man kreativ oder man ist es nicht. Was sollen „Kreativitätstechniken“ hier bitteschön verändern?

Lachhaft!

Albern!

Überflüssig!

Aber gut, es war vom Arbeitgeber bezahlt, ich wurde nicht wirklich gefragt, und alles in allem könnte so ein Ausflug doch ganz interessant werden.

Was sich auch bewahrheitet hat.

Damals hat sich meine Meinung über das Thema Kreativitätstechniken grundlegend und nachhaltig verändert. Denn Seminarleiterin Ruth Pink konnte demonstrieren: Ja, Kreativität lässt sich gezielt anregen!

Ich war so verblüfft, wie begeistert. 

Tatsächlich war ich sogar so angetan davon, dass ich Ruth Pink später als Gastautorin für das taufrische UPLOAD Magazin gewinnen konnte. Ihre Artikelserie findest du heute noch auf der Seite. Darin stellt sie dir drei Techniken fürs kreative Schreiben vor: Clustering, Reizworte und Bisoziation.

Auch Jahre später kommt das Thema bei uns immer wieder vor. So kannst du zum Beispiel einen Artikel über „Brainwriting“ und „Collective Notebook“ lesen. Wir haben zudem die Design-Thinking-Methode vorgestellt

Ich selbst habe einen Artikel mit mehr als 30 Anregungen für bessere Content-Ideen geschrieben. Wir hatten einen Beitrag dazu, warum zur Kreativität manchmal gezieltes Kopieren gehört. Und unseren Abonnent:innen empfehle ich dieses lesenswerte Spezial zu Erfolgsfaktoren für Kreativität.

Also wenn da deine kreativen Säfte nicht fließen, weiß ich auch nicht mehr …

A N Z E I G E

KI-Schulungen für Unternehmen

 

Kreative Sparringspartner verzweifelt gesucht …

Wie du und ich aber sicherlich beide wissen: Es gibt solche Tage und solche Tage. Manchmal sprüht man nur so vor Energie, Enthusiasmus und Ideen. Manchmal ist es schon zu mühsam, überhaupt eine Kreativitätstechnik anzuwenden. Oder die Zeit ist schlichtweg nicht da. 

Dinge müssen erledigt werden, ob das eigene Hirn nun gerade will oder nicht.

In solchen Momenten ist es enorm hilfreich, wenn man eine Aufgabe, eine Herausforderung oder eine Idee mit jemandem durchsprechen kann. Es ist erstaunlich, wie schnell sich dann der Nebel im Kopf lichtet.

Nur haben die lieben Kolleg:innen auch nicht immer Zeit. Oder du findest dich in einer Situation wie ich und arbeitest von zu Hause.

Was tun? Ich kann mir meinen kreativen Gesprächspartner schließlich nicht mal eben backen.

Oder …?

Nein, backen kann ich mir eine solche Person nicht. Aber ich kann ChatGPT, Claude, Gemini und andere um Hilfe bitten.

Diese KI-Assistenten sind immer da. Sie sind immer auf Zack. Und je nach Anbieter und Training können sie sich kaum zurückhalten vor Begeisterung, mir bei meinen Problemchen zu helfen.

Aber kann eine KI überhaupt kreativ sein? Und falls das nicht der Fall ist: Kann sie meine Kreativität zumindest anregen? Oder laufe ich dann am Ende Gefahr, mich nur kreativ zu fühlen, während die Ideen in Wirklichkeit banal und langweilig sind?

Was ist überhaupt Kreativität?

Dazu müssen wir als Erstes besser verstehen, was Kreativität eigentlich ist. Und da fängt das Problem schon an, denn es ist ein schwer greifbarer Begriff – so ähnlich wie Intelligenz.

Wikipedia sieht Kreativität als „die Fähigkeit, etwas zu erschaffen, was neu oder originell und dabei nützlich oder brauchbar ist.“ Warum es nützlich oder brauchbar sein muss, verstehe ich persönlich nicht. Aber wer will schon mit Wikipedia argumentieren?

Der Duden definiert sie als „schöpferische Kraft, kreatives Vermögen“. Und sieht sie im Rahmen der Sprachwissenschaft als „mit der sprachlichen Kompetenz verbundene Fähigkeit, neue, nie gehörte Sätze zu bilden und zu verstehen“.

Interessant und überraschend fand ich wiederum, dass der Duden als ein Synonym zu Kreativität auch Intelligenz auflistet. Ergibt das Sinn? Denn wenn Intelligenz und Kreativität direkt zusammenhängen, dann könnten künstlich intelligente Systeme doch auch künstlich kreativ sein.

Und ja, eine gewisse Verwandtschaft lässt sich durchaus beobachten. Sowohl Kreativität als auch Intelligenz drehen sich um kognitive Fähigkeiten wie Problemlösung, abstraktes Denken und Muster zu erkennen und zu nutzen.

Insofern hilft Kreativität sicherlich der Intelligenz und umgekehrt. Aber ich bezweifle, dass es einen zwingenden Zusammenhang gibt. Sprich: Nur weil eine Person höchst intelligent ist, ist sie deshalb nicht außerordentlich kreativ – und umgekehrt.

Insofern gibt es sicher Überschneidungen zwischen Intelligenz und Kreativität, weshalb der Duden den Begriff dort auflistet. Sie sind aber nicht synonym, wenn man genauer hinschaut.

Kann es künstliche Kreativität geben?

Deshalb können wir eben nicht davon ausgehen, dass ein KI-System kreativ ist. Auf jeden Fall ist es anders kreativ als ein Mensch.

Heutige KI-Angebote wie beispielsweise ChatGPT sind unter der Haube dabei durchaus beeindruckend und faszinierend. Denn ähnlich wie beim menschlichen Gehirn wissen wir nicht exakt, wie sie funktionieren.

Beim Gehirn können wir zwar beobachten, welche Regionen in welchen Momenten aktiv werden. Dadurch haben wir ein grundsätzliches Verständnis dafür, was dort passiert. Aber wir könnten nie mit Blick auf einzelne Neuronen sagen, was ihre genaue Aufgabe ist oder was sie repräsentiert. Und wir können ebenfalls nie 100 % exakt vorhersagen, zu welchem Ergebnis eine Gehirnaktivität kommt. Es gibt Wahrscheinlichkeiten, aber keine Gewissheit.

Ähnlich ist das bei ChatGPT & Co. Sie funktionieren nicht wie klassische Algorithmen, denn die sind deterministisch. Sie können komplex sein, aber es lässt sich immer nachvollziehen, was warum wo passiert.

Werkzeuge der generativen KI gehen hingegen durch einen Lern- und Trainingsprozess. Die Forscher:innen hinter den Kulissen können dann testen, ob die Ergebnisse den Erwartungen und Vorgaben entsprechen. Aber zum einen können sie das nie hundertprozentig garantieren. Und zum anderen können sie bei einem Problem nicht einfach einen Wert ändern, um es aus dem Weg zu räumen.

Es gibt separate Forschungsprojekte wie etwa vom KI-Startup Anthropic, die besser verständlich, transparent und kontrollierbar machen wollen, wie zum Beispiel Large Language Models funktionieren.

Da diese KI-Systeme also nicht deterministisch sind, können sie (in engen Grenzen) tatsächlich kreativ sein. Hier kommt es auch darauf an, wie man diesen Begriff definiert und wo man selbst die Linie zieht.

Fest steht aber, dass eine KI in enorm großen Datenmengen Muster und Verbindungen erkennen kann. Das ist tatsächlich eine ihrer großen Spezialitäten. Sie kann zudem verschiedene Konzepte kombinieren, um ungewöhnliche Lösungsansätze zu finden.

Treten wir einen Schritt zurück, stellen wir fest: Das sind Aspekte von Kreativität wie Flexibilität und divergentes Denken.

Zugleich sind heute KIs aber auf ihre Trainingsdaten beschränkt. Sie können sich innerhalb dieses Wissensschatzes bewegen, aber nicht darüber hinausgehen. Deshalb erschaffen sie keine vollkommen neuartigen Ideen.

Darüber hinaus hat ChatGPT weder ein Bewusstsein noch Emotionen. Der Chatbot hat keine Lebenserfahrung, die seine Perspektive beeinflusst. Das alles wird aber oft als wichtige Quellen menschlicher Kreativität angesehen.

Und was in der Diskussion aus meiner Sicht zu häufig übersehen wird: Eine KI hat keinen individuellen Geschmack. Gerade bei Kunst ist das aber ein entscheidender Faktor. Wir sehen oftmals nur die Endergebnisse, aber nicht den Weg dahin. Und der ist lang und steinig, gepflastert mit Fehlschlägen und Irrwegen.

Die Kunst einer exzellenten Fotografin ist es beispielsweise nicht nur, das eigene Arbeitsgerät bestens zu kennen und ein Auge für Motive zu haben und allerlei anderes Wissen. Zur Kunst gehört es auch, aus dutzenden oder gar hunderten Aufnahmen, die eine zu finden, die den gewünschten Effekt am besten wiedergibt, die die stärkste Aussage hat.

Das wird oft unterschätzt.

Eine KI kann Werke sicherlich auch beurteilen, aber nur nach objektiven, starren Kriterien. Sie kann beispielsweise die Farben eines Bildes auf Knopfdruck „optimieren“. Aber dabei versucht sie, die Farben einem Ideal anzupassen.

Wahre Kunst und Kreativität verstehen aber auch, wann es gut ist, gegen Regeln zu verstoßen. Hier wiederum kommt die Persönlichkeit der Urheber:innen ins Spiel, die eine KI eben nicht hat.

Wie KI Kreativität anregen kann

Wir haben nun also festgestellt, dass eine KI wie ChatGPT nicht dieselbe Form der Intelligenz und Kreativität hat (und haben kann) wie ein Mensch. Das bedeutet zugleich nicht, dass diese Tools nicht trotzdem einen Nutzen haben.

Einige Beispiele:

  • Ideengenerierung: Eine KI kann schnell eine Vielzahl von Ideen zu einem bestimmten Thema generieren, die als Ausgangspunkt für weitere kreative Entwicklungen dienen können. Bei Brainstorming-Sessions kann sie ungewöhnliche Kombinationen oder Perspektiven vorschlagen, die Menschen möglicherweise übersehen.
  • Inspiration und Anregung: Sie kann zufällige Wortassoziationen oder Bilder vorschlagen, die als kreative Impulse dienen oder auch Geschichten oder Szenarien erfinden.
  • Problemlösung: Sie kann alternative Lösungsansätze für Probleme vorschlagen, indem sie verschiedene Disziplinen oder Konzepte verbindet. Denkbar sind zudem „Was wäre wenn“-Szenarien, um neue Perspektiven auf Herausforderungen zu eröffnen.
  • Kreative Techniken: Sie kann Kreativitätstechniken vorschlagen, erklären und bei ihrer Anwendung unterstützen.
  • Recherche und Wissensverknüpfung: Sie kann schnell relevante Informationen aus verschiedenen Bereichen zusammentragen, die als Grundlage für kreative Projekte dienen können. 
  • Feedback und Iteration: Sie kann Verbesserungsvorschläge machen und dabei helfen, Ideen weiterzuentwickeln, indem sie Fragen stellt oder alternative Sichtweisen einbringt.
  • Kreative Blockaden überwinden: Sie kann Übungen vorschlagen, wenn man bei einem Projekt oder Werk mental feststeckt. 
  • Interdisziplinäre Verbindungen: Sie kann Konzepte aus verschiedenen Bereichen (z.B. Kunst und Wissenschaft) verbinden, um neue kreative Ansätze zu inspirieren.
  • Konzeptuelle Erweiterung: Sie kann bestehende Ideen „dehnen“ oder in extreme Richtungen weiterdenken, um neue kreative Möglichkeiten zu eröffnen.

Bei allen diesen Punkten bleibt der Mensch die zentrale Figur. Die KI ersetzt die Kreativität nicht, sondern erweitert sie und regt sie an.

Wann der Mensch übernehmen muss

Zugleich musst du bei der Nutzung von KI-Tools verstehen, ab welchem Punkt du sie hinter dir lassen musst und welche Handgriffe und Überlegungen du gar nicht erst aus der Hand gibst.

Der Mensch sollte etwa die übergreifende kreative Vision und Intention eines Projekts bestimmen. KI kann Ideen generieren, aber der Mensch sollte entscheiden, welche davon wirklich wertvoll und relevant für das angestrebte Ziel sind.

Wenn es um Entscheidungen geht, die auf tiefen emotionalen Momenten oder intuitiven Einsichten beruhen, sollte der Mensch die Führung übernehmen. KI kann Emotionen nicht grundlegend verstehen oder (nach-)empfinden. In Bereichen, wo Authentizität und persönliche Erfahrung wichtig sind (z.B. persönliche Geschichten, Memoiren), sollte der menschliche Input dominieren.

Bei kreativen Projekten, die ethische Implikationen haben, sollte der Mensch die finale Entscheidungsgewalt haben. KI kann ethische Prinzipien anwenden, aber die nuancierte moralische Beurteilung sollte beim Menschen liegen.

Menschen verstehen zudem oft besser die feinen Nuancen kultureller und sozialer Kontexte. Wenn es darum geht, die Angemessenheit oder Wirkung einer kreativen Idee in einem spezifischen kulturellen Umfeld zu beurteilen, sollte der Mensch das letzte Wort haben.

Wenn es um Kunst oder andere Formen des persönlichen Ausdrucks geht, sollte der menschliche Künstler oder Kreative die Kontrolle über den kreativen Prozess behalten. KI kann unterstützen, aber nicht die persönliche Stimme oder Vision ersetzen.

Wirklich bahnbrechende, paradigmenverändernde Ideen kommen oft aus unerwarteten menschlichen Einsichten. Der Mensch sollte sich die Freiheit bewahren, über die von der KI vorgeschlagenen Ideen hinauszugehen. Denn die KI fischt zwangsläufig immer im selben Teich.

Der Mensch sollte immer die endgültige Qualitätskontrolle und Feinabstimmung des kreativen Outputs übernehmen. KI kann Vorschläge machen, aber der Mensch entscheidet über die finale Form und Qualität. Siehe dazu auch in dieser UPLOAD-Ausgabe den Beitrag zu der Frage: Wozu brauchen wir noch Menschen in der Content-Kreation?

Wenn es um die Verantwortung für kreative Entscheidungen und deren Konsequenzen geht, muss der Mensch die Kontrolle haben.

Mit anderen Worten: Die Grenze sollte spätestens dort gezogen werden, wo die einzigartigen menschlichen Fähigkeiten wie Intuition, emotionale Intelligenz, ethisches Urteilsvermögen und persönlicher Ausdruck ins Spiel kommen.

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Das ethische Dilemma der KI-Nutzung

Stellt sich am Ende noch die Frage: Ist es überhaupt ethisch und moralisch vertretbar, KI zu nutzen, um Inhalte wie Artikel, Bücher, Bilder, Musik, Videos zu erstellen? Die Ursünde der meisten aktuellen Tools ist ihr Trainingsmaterial. Wie schon erwähnt, erlangen ChatGPT, Midjourney und andere ihre Fähigkeiten und ihr Wissen aus Werken anderer. Wir sprechen hier über viele Tausende, Millionen, gar Milliarden von Inhalten wie etwa bei Common Crawl.

Die Urheber:innen dieser Werke wurden für diese Nutzungen nicht entlohnt. Sie wurden nicht einmal gefragt oder zumindest informiert. Bis heute ist bei vielen dieser Tools nicht klar, woher sie ihr Trainingsmaterial haben. Die Anbieter selbst schweigen meist dazu.

Auch deshalb gibt es die Idee, ein „Fairly Trained“-Siegel für KI-Angebote einzuführen, die es anders halten, Lizenzen erwerben und generell transparent mit dem Thema umgehen.

Aber wie verwerflich ist es wirklich, wie die KI-Entwickler hier vorgegangen sind?

Die Diskussion darüber wird häufig hitzig und emotional geführt – vor allem in künstlerischen Kreisen. Und das ist auch kein Wunder: Wir sprechen hier schließlich über die persönlichen Werke der Kreativ- und Kunstschaffenden. Die wurden ungefragt und unbezahlt verwendet, um Tools und Dienste zu entwickeln, die oftmals versprechen, genau diese Kreativ- und Kunstschaffenden überflüssig zu machen.

Das Gegenargument ist, dass die KI anhand von öffentlich verfügbaren Werken gelernt habe und das sei vergleichbar damit, wie sich Menschen ihre Fähigkeiten aneignen.

Da ist durchaus etwas dran. Als Kind habe ich beispielsweise zeichnen gelernt, indem ich einige meiner liebsten Comic-Charaktere nachgeahmt habe. Ich habe damals weder Lizenzen an die Walt Disney Company bezahlt, noch die Erschaffer dieser Figuren um Erlaubnis gefragt. 

Ein anderes Beispiel ist das Schreiben. In meinen Teenagerjahren habe ich nicht nur viel Science Fiction gelesen, sondern auch geschrieben. Dabei ähnelte mein Schreibstil immer den Autorinnen und Autoren, die gerade meine Favoriten waren. Ich habe deren Bücher und Geschichten gelesen und versucht daraus abzuleiten, warum ich sie so gern lese und welche Elemente mir daraus besonders gut gefallen. Später waren Journalisten meine Vorbilder.

Inzwischen verdiene ich meinen Lebensunterhalt seit 30 Jahren mit dem Schreiben. Man könnte nun behaupten, dass ich mir mein Wissen durch das Lesen und Analysieren anderer Werke angeeignet habe – ähnlich, wie es ChatGPT & Co. tun. Ich bezahle aber keinerlei Tantiemen an all die Buchautor:innen und Journalist:innen, deren Werke mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin.

Ich glaube auch nicht, dass das jemand erwarten würde.

Der entscheidende Unterschied bei den KI-Tools ist aus meiner Sicht die schiere Menge. Als Mensch kann ich schließlich nur eine stark begrenzte Anzahl von Artikeln, Büchern, Filmen, Hörspielen, Musikstücken etc. aufnehmen. Das ist kein Vergleich zu den Millionen oder Milliarden von Inhalten, die fürs Training von KI-Tools zum Einsatz kommen.

Insofern könnte man sich auf den Standpunkt stellen, dass die KI-Anbieter rein rechtlich vielleicht gar nichts falsch gemacht haben. Wobei es längst nicht klar ist, was bei den aktuell laufenden Verfahren zum Thema Copyright etwa in den USA herauskommt. Aber ganz unabhängig davon ist es ethisch und moralisch bedenklich, wie sie vorgegangen sind.

Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass viele dieser Startups und Unternehmen nun angefangen haben, ganz brav nach Lizenzen zu fragen.

Schlusswort

Letztlich darf man eine Sache nicht vergessen: Wir stehen noch ganz am Anfang der Entwicklung. Das ist einerseits beunruhigend, weil sich KI momentan so schnell und unkontrolliert weiterentwickelt – mit schwer absehbaren Konsequenzen. Das ist andererseits aber auch faszinierend, da diese Tools vollkommen neue Möglichkeiten eröffnen.

Denn KI kann nicht nur die eigene Kreativität anregen, zumindest in den hier dargestellten Grenzen. Ein weiterer potenzieller Effekt ist, dass sie die Einstiegshürde für kreative Entdeckungsreisen weiter verringert. Das könnte uns eine vollkommen neue Generation von Urheber:innen und Künstler:innen bescheren.

Und nicht zuletzt könnten KI-Werkzeuge neue Ausdrucksformen möglich machen, an die wir heute noch gar nicht denken.

Das aber wird vor allem dann passieren, wenn kreative und neugierige Menschen das Ruder übernehmen.


Dieser Artikel gehört zu: UPLOAD Magazin 116

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