Was der Trend zu Micro Communities fürs Content-Marketing bedeutet

Die Ergebnisse einer aktuellen Befragung bestätigen: Internetnutzer stehen großen Plattformen zunehmend skeptisch gegenüber und ziehen sich mehr und mehr in kleinere Gemeinschaften zurück. Diese Entwicklung hat deutliche Auswirkungen aufs Content-Marketing, wie Jan Tißler in diesem Artikel beschreibt. Wer sich etwa primär auf Social Media für die Content Distribution verlässt, könnte ins Hintertreffen geraten. Wichtiger denn je scheint es, solche spezialisierten „Micro Communities“ ausfindig zu machen und sich dort sinnvoll einzubringen. Auch ein eigenes Angebot kann eine gute Idee sein, bedeutet allerdings einen erheblichen Aufwand.

(Illustration: © LustreArt, depositphotos.com)

Zusammenfassung

  • Der Trend zu Micro Communities zeigt sich in einer deutlichen Abwendung von großen Social-Media-Plattformen hin zu kleineren, thematisch fokussierten Gemeinschaften, wie eine Befragung belegt.
  • 66 Prozent stimmen demnach zu, dass große Social-Media- und Suchplattformen an Vertrauen verlieren, während 86 Prozent eine Verschlechterung dieser Plattformen wahrnehmen.
  • Mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) verlässt sich mittlerweile stärker auf ihre eigenen Communitys als auf Suchmaschinen für Informationen, was die Wirksamkeit traditioneller Content-Marketing-Taktiken in Frage stellt.
  • 86 Prozent der Befragten bevorzugen kleinere, persönliche digitale Räume, wobei Männer diesen Wandel stärker vollziehen als Frauen.
  • Content ist das zentrale Bindeglied erfolgreicher Communities. 90 Prozent der Nutzer empfinden durch relevante Inhalte einen starken Zugehörigkeitssinn, auch wenn die meisten Mitglieder passive Konsumenten bleiben.
  • Für den Erfolg von Communities sind aktive Moderation (wichtig für 99 Prozent), klare Regeln und gemeinsame Werte sowie Datenschutzmaßnahmen entscheidend, während negative Atmosphäre (32 Prozent), schwindendes Interesse (31 Prozent) und mangelnde Interaktion (29 Prozent) Hauptgründe für das Verlassen von Gemeinschaften sind.
  • Content-Marketer sollten ihre Strategie von kurzfristiger Reichweitenmaximierung auf langfristigen Community-Aufbau umstellen, wobei die Rolle als wertvoller Content-Lieferant und Moderator in den Vordergrund rückt.
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Die digitale Landschaft befindet sich in einem grundlegenden Umbruch. Nach fast drei Jahrzehnten Internet und der Dominanz großer Social-Media-Plattformen zeichnet sich ein interessanter Trend ab: Nutzer wenden sich zunehmend von Massenplattformen ab und suchen Zuflucht in kleineren, thematisch fokussierten Communitys.

Siehe dazu auch unseren Artikel „Herausforderungen im Content-Marketing 2025“ und hier insbesondere den Abschnitt „Zersplitterung der Medienlandschaft“.

Diese Entwicklung steht nun auch im Mittelpunkt einer umfassenden Befragung beauftragt von The Verge und umgesetzt durch Vox Media Insights and Research sowie Two Cents Insights. Sie hat über 2.000 US-Erwachsene im Dezember 2024 befragt und offenbart einen deutlichen Vertrauensverlust in große Tech-Plattformen sowie eine wachsende Sehnsucht nach authentischen digitalen Beziehungen.

Die Ergebnisse der Studie sind besonders wichtig für Marketer, die sich allein auf traditionelle Social-Media-Strategien verlassen: Der „Community Shift“ ist demnach nicht nur ein vorübergehendes Phänomen, sondern markiert eine grundlegendere Neuausrichtung des Internets hin zu kleineren, vertrauenswürdigeren Räumen. Die Implikationen für Content-Marketing sind vielfältig: von der Art, wie wir Inhalte erstellen und verbreiten, bis hin zur Frage, wie wir authentische Beziehungen zu unseren Zielgruppen aufbauen.

Im Folgenden erfährst du, wie dieser Wandel das Verständnis von Content-Marketing verändert und welche Herangehensweise in der neuen Ära der Micro Communities erfolgversprechend sind.

Große Plattformen verlieren Vertrauen

Dass die großen Social-Media- und Suchplattformen in eine Krise geraten, lässt sich anhand der Befragung mit konkreten Zahlen untermauern. Ein Beispiel: 66 Prozent der Befragten stimmen zu, dass Social-Media- und Suchplattformen an Vertrauen verlieren.

Dieser Vertrauensverlust betrifft besonders etablierte Dienste. Google, einst die unumstrittene Informationsquelle im Internet, wird zunehmend kritisch gesehen. 42 Prozent der Nutzer empfinden Google-Suchergebnisse als immer weniger brauchbar. Bei Shopping-Anfragen finden nur 14 Prozent die gesponserten Ergebnisse „sehr hilfreich“. Das ist ein Signal für die begrenzte Wirksamkeit von Suchmaschinenwerbung.

Die Konsequenz dieser Entwicklung: Mehr als die Hälfte der Befragten (52 Prozent) verlässt sich mittlerweile stärker auf ihre eigenen Communitys als auf Suchmaschinen, wenn sie Informationen benötigen. Sie wenden sich kleineren, spezialisierten Gruppen zu, in denen sie Gleichgesinnte und vertrauenswürdigere Informationen finden.

Für soziale Netzwerke fällt das Urteil noch deutlicher aus: 86 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich große Plattformen negativ entwickeln. Sie beschreiben Social Media als „algorithmische Werbemaschine“ oder als „Simulation mit Ads“. Über die Hälfte (55 Prozent) beklagt eine spürbare Verschlechterung der Informationsqualität auf diesen Plattformen.

Diese Verschiebung stellt so manche traditionelle Content-Marketing-Taktik in Frage. Maximale Reichweite in großen Netzwerken scheint seine Wirksamkeit zu verlieren. Content-Marketer stehen damit vor der Herausforderung, ihre Aktivitäten neu zu justieren:

  1. Die reine Maximierung von Followerzahlen und Reichweite bietet reicht nicht mehr, wenn die Zielgruppe den Plattformen misstraut.
  2. Der Fokus sollte sich von kurzfristigen, viralen Erfolgen hin zu nachhaltiger Vertrauensbildung verschieben.
  3. Qualität und Relevanz der Inhalte werden wichtiger als ihre bloße Verbreitung.

Für Marken bedeutet dies einen spürbaren Wandel: vom plattformzentrierten zum gemeinschaftsorientierten Ansatz. Die zentrale Frage lautet nicht mehr, wie viele Menschen sie theoretisch erreichen können, sondern wie vertrauenswürdig und relevant die eigenen Inhalte für spezifische Zielgruppen sind.

Kleinere, zielgerichtete Communitys als die Zukunft?

Wenn große Plattformen an Vertrauen verlieren, stellt sich vor allem eine Frage: Wohin wenden sich die Nutzer dann? Die Antwort der Studie ist eindeutig: zu kleineren, thematisch fokussierten Gemeinschaften, die mehr Authentizität und echten Austausch bieten.

In Zahlen: 86 Prozent der Befragten bevorzugen mittlerweile kleinere, persönliche digitale Räume gegenüber den großen Netzwerken. Sie suchen nach Gemeinschaften, in denen sie mit Gleichgesinnten in Kontakt treten können. Diese basieren auf gemeinsamen Interessen, Werten oder Zielen.

Besonders interessant ist, wie sich dieser Trend zwischen verschiedenen demografischen Gruppen entwickelt. Männer scheinen diesen Wandel stärker zu vollziehen als Frauen: 78 Prozent der männlichen Befragten suchen aktiv nach tieferen digitalen Verbindungen. 41 Prozent der Männer (gegenüber nur 22 Prozent der Frauen) verbringen bereits mehr Zeit in Online-Communitys als mit dem Scrollen durch klassische Social-Media-Feeds.

Diese Verlagerung zeigt sich in der steigenden Popularität verschiedener Community-Plattformen:

  • Discord-Gruppen boomen zu spezifischen Themen wie Gesundheit, Gaming, Finanzen oder Musik.
  • Reddit-Communitys haben sich teils zu einflussreichen Informationsquellen für spezifische Themenfelder entwickelt.
  • Facebook-Gruppen finden neues Leben als Selbsthilfegruppen und Fachcommunitys fernab vom allgemeinen Newsfeed.
  • Das Fediverse gewinnt als dezentrale, plattformübergreifende Alternative zu klassischen sozialen Netzwerken zunehmend an Bedeutung. In einem eigenen Artikel erfährst du mehr zum Fediverse.

Der Wandel verlangt nach neuen Herangehens- und Denkweisen: Marken müssen lernen, in themenspezifischen Gruppen präsent zu sein, ohne als aufdringlich wahrgenommen zu werden. Sie sollten Mehrwert bieten, echte Gespräche führen und Teil der Community werden, statt etwa nur Werbebotschaften zu platzieren.

Content als Motor für erfolgreiche Communitys

Nachdem wir gesehen haben, dass sich Nutzer zunehmend in kleinere Communitys zurückziehen, stellt sich als nächstes die Frage: Was hält diese Gemeinschaften zusammen? Die Antwort: Content ist das Bindeglied erfolgreicher Communities.

Die Studie unterstreicht eine Dynamik, die Kommunikationsexperten als „90-9-1-Prinzip“ kennen: In den meisten Online-Communities ist nur ein kleiner Teil der Mitglieder für den Großteil der Inhalte verantwortlich, während die überwiegende Mehrheit passiv konsumiert. Konkret besagt diese etablierte Faustregel, dass etwa 90 Prozent der Nutzer nur konsumieren und nie aktiv posten, 9 Prozent gelegentlich beitragen oder auf andere Posts reagieren und nur 1 Prozent den Hauptteil der Inhalte erzeugt. Besonders wichtig ist aber zugleich: Auch passive „Lurker“ sind ein wertvoller Teil jeder Community, denn sie fühlen sich durch den Content verbunden, auch ohne selbst aktiv beizutragen. Und wer weiß: Vielleicht finden sie doch eines Tages einen Grund, sich aktiv(er) zu beteiligen.

Die Verge-Befragung bestätigt diese Dynamik und liefert weitere Erkenntnisse: 90 Prozent der Nutzer empfinden durch relevante Inhalte einen starken Zugehörigkeitssinn zur Gemeinschaft. 78 Prozent schätzen dabei eine unterstützende und empathische Atmosphäre. Das sind Faktoren, die in großen Netzwerken oft fehlen.

Was treibt das Engagement in Communitys an? Die Studie identifiziert mehrere Schlüsselfaktoren:

  • Gute Moderation und klare Regeln schaffen einen sicheren Raum für Austausch.
  • Vielfältige Formate wie Tutorials, Q&As, Diskussionen und Live-Streams halten die Community lebendig.
  • Kuratierte Inhalte statt algorithmischer Feeds: Nutzer bevorzugen relevante, von Menschen ausgewählte Inhalte gegenüber algorithmisch optimierten Streams.

Für Content-Marketer eröffnet sich hier ein neues Verständnis ihrer Rolle. Im Community-Zeitalter geht es nicht mehr primär darum, Aufmerksamkeit durch kurzlebige Trends zu generieren, sondern eine nachhaltige Content-Strategie zu entwickeln, die Bindung schafft. Auf diese Weise werden die Inhalte des Unternehmens als wertvoll und nützlich wahrgenommen.

Konkret bedeutet dies, dass Marken als wertvolle Content-Lieferanten und Moderatoren auftreten sollten. Sie können Diskussionen initiieren, Expertenwissen teilen und Plattformen für den Austausch bieten. Formate wie Community-Events, Live-Q&As oder thematische Diskussionsrunden schaffen Mehrwert und stärken die Gemeinschaft.

Hier stellt sich dann alsbald die Frage, ob Unternehmen selbst ein Community-Angebot starten sollten oder sich an vorhandenen Gemeinschaften beteiligen wollen. Auch ein Mix kann sicher eine Möglichkeit sein. Allerdings sind Community-Aufbau und -Management nicht zu unterschätzende Herausforderungen.

Wachstum und Nachhaltigkeit von Communitys

Eine Community zu starten ist eine Sache. Sie langfristig zu etablieren und wachsen zu lassen eine ganz andere. Die Befragung von The Verge liefert Einblicke dazu, welche Faktoren über Erfolg oder Misserfolg von Micro Communities entscheiden. 

Die Untersuchung identifiziert drei zentrale Faktoren, die die Gemeinschaften wachsen lassen:

  1. Aktive Moderation: 99 Prozent der Befragten halten Moderation für essenziell. In einer Zeit, in der Diskussionen schnell aus dem Ruder laufen können, brauchen solche Angebote deutliche Richtlinien und Schutz vor destruktiven Elementen.
  2. Klare Regeln und gemeinsame Werte: Erfolgreiche Communitys definieren, wofür sie stehen und welches Verhalten erwünscht ist. Dies schafft einen Rahmen, in dem sich Mitglieder sicher fühlen und entfalten können.
  3. Sicherheits- und Datenschutzmaßnahmen: In einer Zeit wachsender Datenschutzbedenken schätzen Nutzer Angebote, die ihre Privatsphäre respektieren und schützen.

Ebenso aufschlussreich sind die Gründe, warum Menschen die Gemeinschaften wieder verlassen:

  • 32 Prozent nennen eine negative Atmosphäre als Hauptgrund.
  • 31 Prozent verlassen Gruppen wegen schwindendem Interesse.
  • 29 Prozent beklagen mangelnde Interaktion.

Diese Zahlen machen klar, was schon bekannt sein sollte: Der Aufbau einer solchen Gemeinschaft bedeutet kontinuierliche Arbeit. Die anfängliche Begeisterung muss ein durchdachtes Community-Management in langfristiges Engagement übersetzen.

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Die Studie unterstreicht zudem, wie wichtig regelmäßige Interaktion ist: 97 Prozent der Befragten sehen Engagement und kontinuierlichen Austausch als entscheidend an. Gleichzeitig betonen 96 Prozent die Wichtigkeit gemeinsamer Interessen und gelegentlicher realer Treffen, die Online-Beziehungen vertiefen können.

Für Marken bedeutet dies, dass reines Posten von Inhalten nicht ausreicht. Erfolgreiches Community-Management erfordert:

  • Dedizierte Community-Manager, die als Moderatoren, Vermittler und Impulsgeber fungieren.
  • Regelmäßige Formate und Aktivitäten, die Interaktion fördern und frischen Wind in die Community bringen.
  • Exklusive Inhalte und Mehrwerte, die Mitglieder belohnen und langfristig binden.
  • Eine Balance zwischen strukturierter Führung und Raum für organisches Wachstum.

Die Erkenntnisse zeigen auch, dass Communitys Zeit brauchen, um zu reifen. Schnelles Wachstum kann sogar kontraproduktiv sein, wenn es auf Kosten der Gemeinschaftsqualität geht. 

Erfolgreiches Community-Building bedeutet für Content-Marketer: weg vom kampagnenorientierten Denken, hin zu langfristiger Beziehungspflege. Diese Angebote sind keine Marketing-Kanäle, sondern lebendige soziale Ökosysteme, die kontinuierliche Pflege und ehrliches Engagement erfordern.

Schlusswort

Die gute Nachricht ist: Beim Content Marketing ging es im Kern schon immer darum, sich eine Gemeinschaft in Form einer interessierten Leserschaft aufzubauen. Wer sich bei seinen Inhaltsaktivitäten an diese Richtschnur gehalten hat, sollte der Entwicklung hin zu Micro Communities positiv und freudig entgegensehen.

In Schwierigkeiten sind potenziell jene, die Content Marketing hauptsächlich unter dem Gesichtspunkt der Reichweitengewinnung im Social Web und der Suchmaschinen-Optimierung für Google & Co. betrieben haben. Denn diese Taktiken haben zuletzt bereits spürbar an Wirkung verloren. Ein Grund dafür ist der zunehmende Druck durch KI-basierte oder gar automatisierte Contenterstellung. Der Trend weg von den großen Plattformen dürfte das nun noch verschärfen.

Tipps zum Weiterlesen

In unserer Ausgabe zum Thema Community Building findest du weiterführende Beiträge:


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